Die wütenden Kinder des Mainstreams

Die deutsche Mehrheits-Gesellschaft fühlt sich mitsamt ihrer politischen Elite aus mehreren Richtungen bedroht: von radikalen Islamisten, von der rechtslastigen Pegida-Bewegung und von gewaltbereiten linken Blockupisten. Doch tatsächlich haben die drei Bedrohungs-Phänomene nicht nur erstaunliche Gemeinsamkeiten, sie stammen zudem auch noch aus dem Herzen des aktuellen Mainstream-Denkens.

Diesen Essay finden Sie in meinem E-Book „Zeitgeisterjagd SPEZIAL: Essays gegen enges Denken“. Er ist ursprünglich in sechs Teilen vom 26.3. bis zum 31.3.2015 bei der Achse des Guten erschienen.

Was macht kränker: Ungesundes Essen oder die Kultur des permanenten Warnens und Ängstigens?

„Nicht nur Alkohol und Nikotin, auch zu viel Süßes ist gefährlich. In anderen europäischen Ländern hat die Politik darauf reagiert, in Deutschland aber wird zu wenig getan, beklagen Krankenkassen. Mit schwerwiegenden Folgen“, schreibt Rainer Woratschka in seinem Artikel „Krankenkasse: Zuckersteuer kein Tabu – Zu viel Zucker macht die Deutschen krank“ im Berliner Tagesspiegel.

Vielleicht sollten wir uns wieder darauf besinnen, dass es nicht die Aufgabe des Gesundheitssystems ist, uns vor „ungesunden“ Dingen des Lebens zu beschützen, sondern dass es lediglich dabei helfen soll, uns wieder gesund zu machen. Der Unterschied ist wichtig: Die erste Variante macht uns zu Objekten einer obrigkeitsstaatlichen Gesundhaltung, während die zweite uns dabei unterstützt, Subjekte unseres Lebens zu sein und zu bleiben.

Wann immer also Krankenkassen und Mediziner beginnen, wegen irgendwelcher „Gesundheitsfährdungen“ nach der Politik zu rufen, ist erhöhte Aufmerksamkeit angesagt: Sich hier auf fachliche Debatten einzulassen, ist im Zweifel die falsche Entscheidung. Medizin hat nichts zu verbieten, Medizin hat zu heilen. Fertig.

Siehe hierzu meinen fast 14 (!) Jahre alten Artikel „Wenn Glaube und Politik Schokolade versalzen“

Reaktion # 2: Regenbogenpresse, Roland Tichy, Giovanni di Lorenzo

Auch Bildblog hat heute meine di-Lorenzo-Kritik aufgegriffen. Immerhin ist er so in die Überschrift gekommen …

4. „Von Charlie Hebdo bis Giovanni di Lorenzo: Vom Aufstieg der Selbstmit-Leid-Medien“
(zeitgeisterjagd.de, Matthias Heitmann)
Matthias Heitmann sieht eine „vollständige Auflösung des einstigen Selbstverständnisses von Medien und dem daraus abgeleiteten Recht auf Meinungsfreiheit. Ursprünglich ging es bei dessen Verteidigung darum, sich selbst – und damit auch den Bürgern – die eigene Meinung durch herrschende Kräfte, also durch die weltliche oder religiöse Macht im Staat, nicht verbieten zu lassen. Heute hingegen verstehen sich Medien als Bestandteil des Herrschaftsapparates und meinen nun, sich gegen den etwaigen Leserzorn abschotten zu müssen. Die größte Gefahr für die Debattenkultur im Lande geht dieser Sichtweise folgend nicht mehr von ‘den Mächtigen’ aus, sondern von sogenannten ‘Trollen’.“

Reaktion # 1: Di Lorenzo und die Kloake menschlicher Abgründe

Der „Spiegel“ hat meine Kritik an Giovanni di Lorenzo aufgegriffen – schließlich mag man es ja, wenn die Konkurrenz angegangen wird. Ob das Nachrichtenmagazin selbst ein belastbarer Streiter für die Meinungsfreiheit ist, kann jeder Leser für sich überprüfen und entscheiden.

„Medien wie die Zeit und viele andere legen sich nicht nur einen Kodex zu, der es ihnen künftig verbietet, Mohammed-Karikaturen oder andere Beleidigungen von Religion zu veröffentlichen, sie werden auch selbst nicht gern beleidigt, beobachtet Matthias Heitmann auf der Achse des Guten: „Dies gilt zumindest für den Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit, Giovanni Di Lorenzo. Seiner Ansicht nach stellt das Feedback der Leser nicht nur eine Zumutung für jeden Journalisten, sondern mittlerweile sogar eine Gefahr für die Zukunft des Journalismus insgesamt dar. Ein Blick in die Kommentarspalten gleiche zuweilen, wie er jüngst in einer Podiumsdiskussion der Münchner Universitätsgesellschaft sagte, ‚dem Blick in die Kloake menschlicher Abgründe‘. Wenn sogar als ‚liberal‘ geltende Journalisten wie di Lorenzo einen Maulkorb für Otto Normalleser sowie das alleinige Recht fordern, darüber entscheiden zu dürfen, wer wie kritisiert oder beleidigt werden darf, dann fragt man sich, wie aus dieser Richtung ein wirkungsvoller Einsatz für die Verteidigung der Meinungsfreiheit erwartet werden kann.'“

Jürgen Klopp reloaded und gepimpt

„Ich glaube nicht daran, dass die Angst vor der Unfreiheit dich eher zum Freiheitskämpfer macht als die Lust auf Freiheit. Und die Lust auf Freiheit ist das, um was es geht. Das weckt die Gier in dir. Das macht dich aus. Das lässt dich über deine eigenen Möglichkeiten hinauswachsen. Das macht dich besonders stark. Und diese Lust auf Freiheit, die tobt in mir!“

Von Charlie Hebdo bis Giovanni di Lorenzo: Vom Aufstieg der Selbstmit-Leid-Medien

Wenn Medien den Mut zur Provokation und auch zur Beleidigung verlieren und anfangen, sich selbst sowie ihren Lesern den Mund zu verbieten, machen sie sich zu PR-Abteilung des Terrors und zu Totengräbern der Meinungsfreiheit.

Diesen Artikel finden Sie in meinem E-Book „Zeitgeisterjagd SPEZIAL: Essays gegen enges Denken“. Er ist ursprünglich am16. März 2015 bei der Achse des Guten erschienen.

„Journalisten beklagen Druck durch Kommentare im Netz“

„Neben den großen Segnungen, die das Netz natürlich gebracht hat, gleicht der Blick in die Kommentarspalten manchmal dem Blick in die Kloake menschlicher Abgründe“, sagte Giovanni di Lorenzo.

Man könnte jetzt natürlich darüber diskutieren, ob Zeitungen die Kommentare bekommen, die sie verdienen. Man könnte auch fragen, wie es einem Chefredakteur einer großen deutschen Zeitung wie Giovanni di Lorenzo einfallen kann, seine Leserschaft derart zu beschimpfen und ob nicht allein dies ihn dazu prädestiniert, „Druck“ zu bekommen. Aber es soll nicht diskutiert oder gefragt werden, glaube ich. Das wäre ja Wasser (oder was auch immer) auf die Mühlen der „Kloake“. Deshalb: alle die Taschentücher rausholen und „Oooooooh“ rufen.

Der deutsche Fukushima-Mythos lebt weiter

Vor fast genau zwei Jahren, also zwei Jahre nachdem der Tsunami über die japanische Ostküste rollte, wurde mein Artikel „Der deutsche Fukushima-Mythos“ über die deutsche Lesart der damaligen Ereignisse veröffentlicht. Schon damals tendierten deutsche Politiker – vorrangig Grüne wie Claudia Roth und Jürgen Trittin – dazu, die Opfer der Flutkatastrophe kurzerhand zu Opfern der Atomkraft umzudefinieren. Mittlerweile agiert die CDUSPD-Kanzlerin in ähnlicher Manier: Während ihres Japan-Besuch vor wenigen Tagen meinte sie, der Nation, während sie den Tsunami-Opfern gedachte, in Sachen Atomkraft die Leviten lesen und die deutsche Energiewende als Exportschlager anpreisen zu müssen. Das ist nichts weniger als der Beleg einer unglaublichen Arroganz und einer ekelerregenden und menschenverachtenden Obsession mit den eigenen Befindlichkeiten.

Die Rhetorik des „Nichts-Damit-Zu-Tun-Habens“

 Glaubt man den Reaktionen auf die Ereignisse im Nahen Osten und in Europa, so hat nichts mehr mit irgendetwas zu tun. Statt kontroverser Diskussionen erleben wir den Aufstieg einer unentwegt plappernden, aber dennoch positionslosen und im Kern zensorischen, weil zutiefst verängstigten Enthaltungskultur.

Der Essay ist am 11.3.2015 auf der Website der Achse des Guten erschienen.

Die Rhetorik des „Nichts-Damit-Zu-Tun-Habens“ weiterlesen

4 Jahre nach der Tsunami-Katastrophe: Für Merkel sind die Ertrunkenen auch Strahlentote

„Es können die unwahrscheinlichsten Risiken auftreten“, sagte Angela Merkel gestern im Hinblick auf den anstehenden Jahrestag der Tsunami-Katastrophe als Erklärung dafür, in Deutschland die AKWs bis 2022 endgültig abzuschalten. Die Aussage ähnelt stark an die „unbekannten Unbekannten“ des einstigen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld. Galten in der Vergangenheit wahrscheinliche Risiken als handlungsweisend, so sind es nun also die unwahrscheinlichsten, an denen wir Politik ausrichten sollen. Man könnte sich fragen: Vier Jahre nach Fukushima – wie weit sind die Tsunami-Schutzwälle in Deutschland? Oder auch: Wie „wahrscheinlich“ ist es, dass Merkel davon ausgeht, dem Atomunfall in Fukushima seien Zehntausende zum Opfer gefallen?
(Kleiner Tipp: Der Atomunfall hat niemanden umgebracht)

Je länger man darüber nachdenkt, desto unglaublicher ist das Ganze. „In einer außen- und europapolitischen Grundsatzrede in der Redaktion einer großen linksliberalen Zeitung erinnerte die Kanzlerin an die Opfer der Tsunami- und Atomkatastrophe vor vier Jahren“, schreibt die ZEIT. Nochmals: Wer den Todesopfern des 11. März 2011 gedenken will, braucht den Atomunfall nicht zu nennen. Aber die deutsche Atomhysterie scheint es zu legitimieren, Tsunamiopfer posthum auch noch zu Strahlentoten umzufirmieren (oder sollte man sagen: „moralisch aufzuwerten“?). Eigentlich ist das ein Affront gegenüber dem Gastgeber! Aber Japan reagiert souverän auf den gewollten deutschen Fauxpas: Höfliches Schweigen und Lächeln – und ab heute weiter die eigene Energiepolitik verfolgen. Richtig So!

http://www.zeit.de/wirtschaft/2015-03/angela-merkel-japan-atomausstieg

Matthias Heitmann