Reisen mit dem Umweltengel mögen für manche Globetrotter Balsam für die ökologische Seele sein. In der Dritten Welt zementiert der Ökotourismus hingegen die Unterentwicklung.
Ökotourismus ist von einem Nischen- zu einen Boommarkt geworden. Ihm kommt, so heißt es, eine positive Funktion zu, weil das Umweltbewusstsein gestärkt werde – sowohl in den Ländern, aus denen die Touristen kommen (der entwickelten Welt), als auch in den Ländern, in die sie reisen (oft Entwicklungsländer). Während der letzten 15 Jahre wurden nicht nur von den Anbietern ökotouristischer Reisen, sondern auch von einer Reihe Nichtregierungsorganisationen, ökologischer Initiativen und Hilfsorganisationen die Werbetrommeln für den ökologischen Tourismus gerührt. Auch die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) sieht den Tourismus „als politisches Instrument“, mit dem „in einem integrierten Ansatz zur Stärkung lokaler und regionaler Wirtschaftskreisläufe“ beigetragen werden könne.
Einig ist man sich vor allem in einem, dass Ökotourismus eine willkommene „nachhaltige“ Alternative zum Massentourismus sei, da er die Entwicklung von Gemeinschaften fördern und zugleich die Umwelt erhalten könne. Schließlich zahlen Ökotouristen viel Geld, um eine unberührte Natur zu erleben, und dies schaffe Jobs in den Bereichen Umweltschutz und -management, in der Produktion von Kunsthandwerk sowie im touristischen Dienstleistungsgewerbe.
Gegen den Wunsch, seinen Urlaub in möglichst intakter Natur verbringen zu wollen und dafür viel Geld zu bezahlen, ist nichts einzuwenden. Aber wer glaubt, er könne urlaubend die Welt retten, lügt sich in die Reisetasche. Menschen in der Dritten Welt den Job des Urlaubsparadieswächters als Zukunftsvision anzubieten, verkennt bestenfalls die realen Entwicklungsbedürfnisse und -möglichkeiten von Entwicklungsländern und ist schlimmstenfalls ein zynischer Versuch, westlichen Touristen die Unterentwicklung großer Teile der Welt als „natürlich“ und damit als schützenswert zu verkaufen.
Die Organisation „Conservation International“, die in zahlreichen Ländern Ökotourismusreisen anbietet, benennt den Nutzen dieser Projekte wie folgt: „Alle müssen die Erhaltung der Ökosysteme mit der Schaffung von wirtschaftlichen Möglichkeiten für die Bewohner verbinden…“ Dieser Argumentation zufolge hängt der Erfolg eines ökotouristischen Projekts davon ab, „ob die lokale Bevölkerung dazu gewonnen werden kann, ihre natürlichen Ressourcen zu beschützen.“ Diese Aussage lässt vermuten, es ginge bei der Unterstützung von Ökotourismus primär um ökologische Interessen und darum, die betroffene Bevölkerung hierfür zu gewinnen.
Die US-amerikanische staatliche Hilfsorganisation USAID unterstützt ökotouristische Projekte mit der Begründung, dass diese eine „nachhaltige“ Alternative zum Jagen, Holzfällen und zur Landwirtschaft seien. So könnte „lokale Unterstützung für die Einrichtung von Naturparks gewonnen werden“. Diese sei wichtig, weil so „potenzieller Widerstand gegen den Schutz von Wäldern und Fischgebieten abgemildert werden kann, indem man den Anwohnern Jobs anbietet und ihnen die Möglichkeiten neuer Einkommensquellen durch den Ökotourismus aufzeigt“. Dass es wesentliche bessere Gründe geben könnte als ökologische, den Menschen Alternativen zum Holzfäller- und Jägerdasein zu bieten, ist offensichtlich nicht relevant.
Liest man derlei Statements, so erhärtet sich der Eindruck, dass nicht die Armut der Bevölkerung , sondern deren Hoffnung auf Fortschritt als Problem gesehen wird. Die Organisation „Tourism Concern“, die sich ebenfalls für einen ethischen Tourismus stark macht, knüpft die „Entwicklungsmöglichkeiten“ für die Anwohner explizit an den Erhalt der natürlichen Umgebung. Die lokalen Gemeinschaften sollen einen Nutzen haben, aber nur unter der Bedingung, dass ihre traditionellen Lebensweisen erhalten bleiben – tief greifende Entwicklungsmaßnahmen gelten als schädlich für Umwelt und Kultur. In der Praxis umgesetzt wird dies im Ghana-Projekt von „Conservation International“, in dem die lokale Bevölkerung als Wildhüter, Führer und Köche den sich gut erholenden Ökotouristen dienen darf.
Das dem Ökotourismus zugrunde liegende Denken sieht die bestehenden Beziehungen zwischen ländlichen Gemeinschaften und ihrer natürlichen Umwelt als gegeben an, während grundlegende ökonomische Entwicklungen als „nicht nachhaltig“ abgelehnt werden. Entwicklung, so sie denn stattfindet, soll sich an den ökologisch orientierten Wertvorstellungen der westlichen Geldgeber orientieren. Laut Québec-Deklaration besteht der Nutzen des Ökotourismus darin, „den Prozess der ethnischen Bewusstmachung zu stärken“ und „die Fähigkeiten und Traditionen der Gemeinschaften wie zum Beispiel Kunsthandwerk und traditionelles Wohnen zu erhalten“.
Hier werden Töpferei und ein kurzes Leben in ärmlichen Lehmhütten zur Zukunftsperspektive stilisiert. Die Vorstellung, den Menschen moderne Technologien zur Verfügung zu stellen, um ein besseres Leben führen und vielleicht eines Tages selbst einmal zu den Weltenbummlern zählen zu können, passt nicht in die „Vision“ des Ökotourismus. Stattdessen wird ein Loblied auf Armut und Elend gesungen – im Namen der „nachhaltigen Entwicklung“ und eines „ökologisch korrekten“ Urlaubs.