Lars Riedel, fünfmaliger Diskusweltmeister und Olympiasieger von 1996, hat die Veröffentlichung seiner Biografie „Meine Welt ist eine Scheibe“ genutzt, um öffentlichkeitswirksam seine Karriere zu beenden. Zugleich beklagte er sich über die Praxis der Dopingkontrollen: „Sich beim Urinieren zuschauen lassen zu müssen, verstößt gegen die Menschenwürde. Der Kopf des oft wildfremden Testers ist tief unten auf der Höhe des Glases, fast eingeklemmt zwischen Urinal und meinem Oberschenkel. Mein Penis wird zum Anschauungsobjekt. Sie haben die Macht, und ich habe mich zu unterwerfen“, schilderte er.
Was in der Öffentlichkeit als „Abrechnung“ diskutiert wurde, war jedoch keine. Vielmehr rechtfertigt Riedel grundsätzlich die Dopingkontrollen und wünscht sich lediglich, „dass künftig ein humaneres Kontrollsystem gefunden wird, in dem vielleicht über Haarproben-Doping nachgewiesen werden kann.“ Dass er an der Sportlerüberwachung lediglich das Zurschaustellenmüssen seines Penis kritisiert, ist bedauerlich.
Positiv ist jedoch, dass Riedel überhaupt Kritik äußert und zudem das Argument, Doping sei ungesund, zerpflückt: „Wenn man behauptet, es gelte durch die Dopingkontrollen die Gesundheit der Sportler zu schützen, müsste man konsequenterweise viel früher anfangen und mit dem gleichen Argument den Spitzensport verbieten. Viele Untersuchungen belegen es eindeutig: Der Spitzensport ist gesundheitsschädlich.“ Chapeau! Noch mutiger wäre es gewesen, er hätte solcherlei bereits während seiner aktiven Zeit geäußert und sich nicht davon abhalten lassen, dass man als aktiver Sportler „von den Funktionären schnell eins drüber “ bekommt.
Dass es Sportler gibt, die dies in Kauf nehmen, bewies jüngst die deutsche Fechterin und Olympiateilnehmerin Imke Duplitzer. In der am 11. Juli im Deutschlandradio Kultur ausgestrahlten Sendung „Titel, Taler und Talente – Kein Gold ohne Doping?“ äußerte sie sich zu der Art und Weise, wie mit Sportlern unter dem Antidoping-Regime umgegangen werde, überaus drastisch: „Jeder Kinderschänder in Deutschland hat mehr Grundrechte und mehr persönlichen Schutz als wir!“ (nachzuhören unter http://www.dradio.de/aod/html/?station=3& ab Minute 38 ) Dass sie sich dennoch für die Beibehaltung des Kontrollsystems aussprach, zeigt die Schizophrenie des Diskurses sowie den moralischen Druck, der auf dem Sport lastet.
Wer heute Leistungssport treiben will, sollte möglichst keine zu enge Bindung zu seinen Grundrechten haben.