Moderner Widerstand ist alles, nur nicht grün

Malediven, Palme, Hängematte, Strand

4.2.2023 – Die Aktivisten der „Letzten Generation“ gerieren sich als Speerspitze des Widerstands. Doch in Wirklichkeit sind sie nur der klebrige Arm des Establishments. Es geht um die Einübung von Verzicht – auf Wohlstand, Freiheit und demokratische Teilhabe.


Es wird ja immer so viel von Vielfalt geredet. Alles soll vielfältig und bunt sein. Doch der Schein trügt. In Wirklichkeit ist Vielfalt verpönt. Tatsächlich wird hier alles immer eindimensionaler, einheitlicher, öder. Denn egal, was wir auch tun, es muss immer gut für die Umwelt oder das Klima sein.

Am Anfang war Grün nur wie so eine Art Anhang, um etwas herzumachen, um vorne dran zu sein. Nichts Weltbewegendes. Es hat sich eingeschlichen in den Alltag. Stück für Stück wurde es zu einem festen Bestandteil integriert. Und irgendwann kippte das Ganze, und Grün übernahm die Hauptrolle. Nicht, weil grüne Argumente besser oder die ökologische Lage schlimmer wurden, sondern weil alles andere scheinbar an Relevanz verlor. Das sich ausbreitende ideelle Vakuum saugte Grün in die Zentren der Macht. Wer heute nicht klimaneutral ist, gehört nicht mehr dazu. Das Ökosiegel mutierte zu einer Eintrittskarte in die gute, moderne, werteorientierte Gesellschaft. Mittlerweile ist es die Existenzberechtigung für nahezu alles, alles andere wird verboten.

Ob Konsum oder Kultur, alles soll diesem Dogma unterstellt werden. Die Dinge haben kein eigenes Existenzrecht mehr, sie erhalten nur noch die moralische Zulassung, wenn ihre „eigentliche Funktion“, also ihr Beitrag zu einer grüneren Welt, zertifiziert ist. Die Bereiche, in denen dieses Dogma gelten soll, dehnen sich immer weiter aus. Eine Begrenzung scheint hier nicht denkbar – und auch nicht, dass sich etwas diesem Glauben aktiv widersetzt. Widerstand ist unökologisch, nicht nachhaltig, Energieverschwendung.

Dieses Menschenbild steht im Gegensatz zum humanistischen Denken

Es mag einigen nicht gefallen – aber genau das ist der Weg in eine totalitäre Gesellschaft. Wir werden Zeugen einer grünen Gleichschaltung der Gesellschaft. Totalitarismus definiert sich darüber, dass Vielfalt im Denken und Bewerten abgelehnt, mundtot gemacht, kriminalisiert, auf Linie gebürstet oder aber systematisch unterbunden wird. Totalitarismus beginnt im Kopf, er greift um sich, wenn die gesellschaftliche Realität nur noch durch eine Brille und nur noch aus einer Perspektive gesehen wird.

So paradox es klingen mag: Dadurch, dass die Welt nur durch die grüne Brille gesehen wird, gerät sie schrittweise zu einer Monokultur, die weder Abweichungen noch Widersprüche duldet. Klima und Umwelt werden zu Totschlagargumenten. Heute kannst du nichts Schlimmeres tun, als dich diesem Grundkonsens entziehen. Was dann droht, ist Umerziehung zum Zwecke der Anpassung, ggf. auch mit Strafandrohung, oder Bußzahlungen, oder aber Isolierung, um die Umwelt nicht weiter zu verpesten, Entsorgung, Endlagerung.

Wir steuern auf eine ökologische, autoritäre (lies: ökoritäre) Einöde zu, in der der Mensch sein Denken und Handeln, ja seine gesamte Existenz, in einen grünen Rahmen zwängen muss. Dass dabei nebenbei bemerkt der Natur kein Gefallen getan wird, schadet der Vehemenz nicht. Ökologisches Denken interessiert sich nicht für die Natur, es ist vielmehr eine Art, wie man den Menschen betrachtet, und dieses Menschenbild steht im Gegensatz zum humanistischen Denken.

Der Mensch steht weiterhin im Zentrum – nur geht es eben nicht um seine Entfaltung, Entwicklung und Befreiung, sondern um seine Unterordnung, Einengung und um das Brechen seines Fortschrittsglaubens und Freiheitsstrebens. Die Darstellung süßer Tierbabys und unberührter Naturlandschaften ist nur der emotionale Hebel, mit dem versucht wird, die Menschen für eine im Kern menschenfeindliche Ideologie zu gewinnen. Tierrechte werden nicht eingefordert, um Kellerasseln endlich mehr Mitspracherechte zu geben, sondern um Menschenrechte zu relativieren.

Ihr Ziel ist der Verzicht der Anderen

Die Protagonisten der grünen Ideologie sind keine plüschigen Baumkuschler oder ausgemergelte Waldschrate. Das sind auch keine Gesundheits- oder Verzichtsfreaks, die sich aus Nächstenliebe für andere aufopfern. Ihr Ziel ist der Verzicht der Anderen – und um das zu erreichen, jetten sie allzu gerne um die Welt. Wir haben es hier mit wohlhabenden Mittelklassekids und kühl kalkulierenden Karrieristen zu tun, die intellektuell verkümmert und kulturell verwahrlost Menschgemachtes und somit Kultiviertes angreifen, blockieren oder zerstören.

Sie erinnern an die Taliban, die die Buddha-Statuen von Bamiyan in Afghanistan und andere kulturell wertvolle Stätten zerstörten, weil dort anderen Göttern gehuldigt wurde und nicht ihrem Gott. Heute besudeln Öko-Taliban Kunstwerke, weil diese vom einzig relevanten Thema unserer Zeit ablenken. Sie reiten auf der Welle des grünen Zeitgeists und sind gar nicht mehr darauf vorbereitet, ihr Anliegen überhaupt noch mit Argumenten rechtfertigen zu müssen – ist doch eh alles common sense, oder etwa nicht?

Nein, ist es nicht. Und genau das müssen wir sie spüren lassen. Moderner Widerstand ist alles, nur nicht grün. Die Aktivisten der „Letzten Generation“ – eigentlich müsste man sie wegen ihrer verklebten Aktionen eher „Passivisten“ nennen – gerieren sich als Speerspitze des Widerstands. Wahrscheinlich müssen sie diese Protestform wählen, um sich selbst noch als „Protestler“ zu fühlen, denn inhaltlich sind sie ja nur der klebrige Arm des Establishments. Interessanterweise fühlt man sich in den Führungsetagen ständig bemüßigt, die Radikalität des Protests zu rügen, jedoch fein säuberlich getrennt von der Mission, die ja zweifellos gut sei.

Die Welt ist nicht dem Untergang geweiht

Ich verabscheue an der Letzten Generation nicht nur ihre Protestformen; ich lehne das ab, wofür sie stehen. Die Grundannahmen, auf denen ihre verquere Weltsicht basiert, teile ich nicht. Die Welt ist nicht dem Untergang geweiht, im Gegenteil, sie wird sogar immer grüner. Der Mensch ist auch nicht das Problem, sondern die Lösung, wir sind weder zu reich, noch zu frei, noch sind wir zu viele oder wollen zu viel.

Die Letzte Generation blockiert Straßen, weil sie glaubt, man müsse die Menschheit aufhalten, bremsen, einschränken, umerziehen. Diese Protestform passt zu ihnen: Sie kleben sich am Boden fest, wollen nicht weiterkommen, sie verengen freiwillig ihren Horizont – und leiten aus ihrer Borniertheit das Recht ab, andere Menschen auszubremsen, und das mit stiller oder sogar offener Unterstützung unserer politischen Eliten.

Diese fokussieren sich ja seit Jahren darauf, den Menschen Steine in den Weg zu legen, ihre Erwartungen zu drosseln und sie an den Gedanken zu gewöhnen, dass Verzicht ein Gewinn ist. Verzicht auf Wohlstand, Verzicht auf Freiheiten, Verzicht auf Mobilität, Verzicht auf Einfluss und Teilhabe, Verzicht auf Vielfalt, Verzicht auf Leben – zum Wohle von Natur und Klima. Nature first – unter dieser Fahne laufe ich nicht mit.

Ich freue mich schon darauf, wenn dereinst Menschen die grünen Staatsprotestanten von heute belächeln werden – nicht als die letzte Generation, sondern als die allerletzte. Für euren Untergang hol ich mir kein Gruppenticket, ich fahr woanders hin, in die Zukunft.

Der Artikel ist zuerst am 04.02.2023 auf Cicero Online erschienen.