Ob irgendwo in China ein Sack Reis umfällt, interessiert eigentlich nicht. Auch nicht, ob irgendwo in Bolivien ein Tor fällt. Auch dann nicht, wenn es in 3000 Metern Höhe fällt. Bei der Fifa sieht man dies jedoch anders.
Die Entscheidung des Weltfußballverbandes, internationale Spiele in einer Höhe von mehr als 2500 Metern zu verbieten, muss als die bisher weltweit konsequenteste Umsetzung der Anti-Doping-Vorschriften bewertet werden. Schließlich sind Hochlandbewohner permanent gedopt: Ihr ständiger Aufenthalt in großer Höhe führt dazu, das sich – ähnlich wie durch Eigenblutbehandlungen – die Menge der roten Blutkörperchen sowie des Hämoglobins vergrößert, was letztlich eine Verbesserung der Ausdauerleistung zur Folge hat.
Wenn also Bolivianer in La Paz (3640 m) zum Kick bitten, nutzen sie schamlos ihre Überlegenheit gegenüber Flachlandtirolern aus, bei denen in solch luftiger Höhe schnell das Röcheln einsetzt. Ein besonders hinterhältiger Fall von Wettbewerbsverzerrung; hinterhältig vor allem, weil die Bolivianer damit hinter dem Berg halten, anstatt ihre Schuld offen einzugestehen. Während im Radsport derartige kriminelle Leistungsverbesserungstaktiken noch hoch angesehen sind und mit der pseudo-medizinischen Bezeichnung „Höhentraining“ verharmlost werden, obwohl kein Unterschied zu verruchten Doping-Praktiken besteht, greift die Fifa nun hart durch.
Fifa-Chef Sepp Blatter – geboren im 658 Meter hoch gelegenen Visp, einer Ortschaft im Schweizer Kanton Wallis, und damit selbst ein Kind der Berge, dem man diesen physischen Vorteil allerdings kaum anmerkt – begründete das im Mai von der Fifa verhängte Spielverbot mit den gesundheitlichen Risiken des Höhenkicks für austrainierte Profifußballer, die ab einer Höhe von exakt 2.500 Metern atem- und chancenlos würden. Zu besichtigen ist dieses medizinische Faktum im südamerikanischen Fußball, der unter der fortgesetzten Dominanz von Hochleistungsländern wie Bolivien oder Ecuador leidet, die seit Menschengedenken alle regionalen Titel unter sich ausmachen.
Ähnlich sieht es in Europa aus: Die natürliche Überlegenheit der Hochgebirgskicker aus Österreich und der Schweiz hat den Kontinentalfußball in den letzten Jahren zu einer überaus einseitigen und langweiligen Angelegenheit gemacht. So besteht auch kaum ein Zweifel daran, dass die beiden die nächste Europameisterschaft ausrichtenden Alpenrepubliken auch das Finale bestreiten werden. Entsprechend werden die europäischen Ligen seit Jahrzehnten von Bergkickern aus den Anden und den Alpen nur so überschwemmt.
Das gesundheitsschädliche Bergdenken ist auch im deutschen Fußball weit verbreitet: Einige Vereine haben ihre Stadien vorsätzlich auf Bergkuppen errichtet und prahlen sogar mit der Uneinnehmbarkeit ihrer Bergfestungen. Wie Recht sie damit haben, belegt die Statistik: Seit Einführung der Bundesliga spielen die Vereine aus Kaiserslautern (Betzenberg), Offenbach (Bieberer Berg) und bis vor wenigen Jahren auch Mönchengladbach (Bökelberg) die Meisterschaft unter sich aus. Bei den Gladbachern trat mit dem Umzug in das neue – tiefer liegende – Stadion das ein, was unweigerlich immer eintritt, wenn man einen Berg verlassen will: der Abstieg.
Letztlich kann man der Fifa in ihrem Kampf für die Einebnung des Weltfußballs nur einen Vorwurf machen: Sie ist nicht weit genug gegangen. Das Verbot von alpinen Pflichtspielen bringt dann wenig, wenn man kriminellen Sportlern weiterhin gestattet, tagein tagaus in großer Höhe zu trainieren, um dann mit den so erworbenen „unnatürlichen“ Kräften auf Normal Null die Gegner zu überrennen. Das Heimspielverbot für Bolivianer in La Paz ist demnach nur eine halbe Sache: Weit wichtiger wäre es, ihnen generell den Aufenthalt in ihrem Land zu verbieten, der ihnen ja auch auswärts diesen uneinholbaren Vorteil verschafft und die Gegner in aller Welt – insbesondere aber in den Niederlanden – erzittern lässt.
Und wenn wir schon dabei sind, endlich wahre und totale Gleichheit auf der Weltkugel herzustellen, sollten auch andere Brennpunkte der himmelschreienden globalen Wettbewerbsverzerrung berücksichtigt werden: Spiele in Moskau (Dauerfrost), auf den Färöer-Inseln (Dauerwind), in London (Dauerregen), in Madrid (Dauersonne), in Turin (Dauerkorruption) sowie in Dresden und Leipzig (Dauerausschreitungen) sind es ebenfalls wert, einer Überprüfung unterzogen zu werden. Die Hoffnung ist berechtigt, dass sich die Fifa künftig auch dieser Skandale annehmen wird. Soeben wurde Sepp Blatter für eine weitere Amtszeit wiedergewählt…