Besonders laut ist die Kritik an diesen Auswüchsen in Deutschland. Allen voran Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG, macht sich gegen die Macht der finanzkräftigen Investoren im Fußball stark, die ein solides Wirtschaften verhinderten. Andere deutsche Sportfunktionäre wie etwa der Geschäftsführer von Borussia Dortmund , Hans-Joachim Watzke, nehmen auch deutsche Vereine ins Visier. In der Kritik stehen Bayer 04 Leverkusen, der VfL Wolfsburg und 1899 Hoffenheim, denen vorgeworfen wird, mit Mitteln ihrer Geldgeber (Bayer AG, Volkswagen AG sowie der Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp) unfaire Wettbewerbsvorteile zu haben.
Die zentrale Aussage der Financial-Fair-Play-Regelung lautet: „Nicht mehr für den Fußball ausgeben, als man durch den Fußball einnimmt.“ Verstöße sollen „knallhart sanktioniert“ werden und im Extremfall sogar zum Ausschluss aus den Wettbewerben führen, heißt es in Funktionärskreisen. Dennoch gilt es als höchst unwahrscheinlich, dass hoch verschuldete Klubs wie Real Madrid, der FC Barcelona oder der FC Chelsea tatsächlich Gefahr laufen, aus der Champions League verbannt zu werden, würde hierdurch die Uefa doch ihr eigenes hochlukratives Produkt entwerten.Zudem ist damit zu rechnen, dass die großen Vereine Heerscharen von Wirtschafts- und Rechtsexperten beschäftigen werden, um jedes noch so kleine Schlupfloch innerhalb der Regelung zu identifizieren.
Von der FFP-Regelung zu erwarten, dass sie finanzielle Ungleichheiten reduziert, ist unrealistisch. Tatsächlich dürfte das Gegenteil der Fall sein: FFP führt dazu, dass die großen Klubs zwar größere Anstrengungen vollziehen müssen, um an neues Geld zu kommen und entsprechend zu bilanzieren, und also vielleicht nicht mehr ganz so schnell noch reicher werden. Der entscheidende Punkt aber ist, dass die kleinen Klubs klein und außen vor bleiben. FFP reduziert vielleicht die Amplitude des zulässigen Reichtumsgefälles, zementiert es aber zugleich.
Zudem machen die Regelungen der eingebauten Schuldenbremse das System langfristig undurchlässiger: Der Aufstieg kleiner Vereine wird erschwert, da ein solcher Kraftakt ohne Investitionen, die die aktuellen Einnahmen übersteigen, kaum möglich ist. Die Chancen ins Trudeln geratener Traditionsvereine oder ambitionierter neuer Projekte wie RB Leipzig, sich schnell nach oben durchzuarbeiten, dürften so deutlich sinken.
Die Financial-Fair-Play-Regelung der Uefa hat eine dem Gedanken der Fairness zuwiderlaufende zutiefst elitäre Stoßrichtung. Dies wird von ihren Befürwortern sogar offen zum Ausdruck gebracht. In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ äußerte sich Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge im Januar 2011 zu den Folgen des FFP eindeutig: „Ein Aufstieg wie der von Manchester City wird künftig schwieriger. Aber will man die Manchester Citys dieser Welt fördern? Ich als Fußballfan will etwas anderes: Ich will Inter, Real, Barcelona, Bayern, Milan, Manchester United sehen. Weil das über viele Jahre hinweg die besten Klubs der Welt sind und Tradition haben.“
Solche Aussagen verdeutlichen, worum es den Großen geht: den Aufstieg neuer Klubs zu verhindern und ihre Vorherrschaft zu sichern. Was also als Versuch präsentiert wird, von russischen Oligarchen oder Ölscheichs „künstlich“ hochgezüchtete Vereine kleinzuhalten und die vermeintliche „Ursprünglichkeit des Fußballs“ zu bewahren, ist in Wahrheit ein Instrument, um den bestehenden Klub der Großen gegen Newcomer abzuschotten.
Das kontrollierende Eingreifen der Uefa in das wirtschaftliche Handeln der Vereine geht deutlich über das Lizensierungsverfahren der Deutschen Fußball Liga (DFL) hinaus. Es untersagt den Klubs nicht nur, bestimmte wirtschaftliche Risiken einzugehen, es legt zudem fest, woher die investierten Gelder zu kommen haben. Antriebskraft dieser Neuordnung des Profifußballs ist die Angst vor dem Untergang.Dass es gegen die schweren Eingriffe in die unternehmerische Freiheit der Vereine kaum Einwände gab, ist nicht überraschend: Was nun auch für den Fußball als Maßgabe wirtschaftlichen Handelns gelten soll – die Risikovermeidung -, ist in großen Teilen des Wirtschaftslebens schon seit Längerem üblich. Die Angst vor Risiken und die damit verbundenen Forderungen nach strikter Kontrolle und Bestrafung derjenigen, die „unverantwortliche“ Risiken einzugehen bereit sind, prägt sowohl die wirtschaftliche als auch die politische Kultur Europas.
Dass den Fußballunternehmen erteilte Verbot, wirtschaftliche und finanzielle Risiken einzugehen, ist mit den Regeln einer freien Marktwirtschaft nicht in Einklang zu bringen – und erst recht nicht mit einer sozialen Marktwirtschaft. Denn klammen Vereinen die Möglichkeit zu verwehren, große Investoren an Land zu ziehen, vergrößert die Gefahr, dass die Kosten ihres Niedergangs sozialisiert werden. Real Madrid mag mit mehreren Hundert Millionen Euro verschuldet sein; Insolvenz anmelden werden jedoch eher kleinere Vereine – es sei denn, Städte oder Länder springen ein und stützen die Fußballstandorte mit Steuergeldern.
Die ängstliche Kontrollwut, die im Fußball Einzug hält, macht deutlich, wie sehr man mittlerweile den Glauben an das Funktionieren des Fußballgeschäfts nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten verloren hat. Wenn aber die Zweifel am eigenen Systems so stark sind, dass man glaubt, Fußballmanager vor sich selbst schützen zu müssen, hat auch die seit Jahren erhobene Forderung, die Vereine müssten sich wie Unternehmen aufstellen, keinen Sinn. Der Fußball wird vom ängstlichen Zeitgeist überrollt. Wenn Unternehmen die Entscheidung darüber, welche Risiken sie einzugehen bereit sind, aus der Hand genommen wird, braucht man sich über Stagnation sowie über Mut- und Verantwortungslosigkeit künftig nicht mehr wundern.