Angela Merkel und die „Hillarisierung“ der deutschen Politik

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Nicht Angela Merkels erneute Kanzlerkandidatur ist das Problem, sondern der Umstand, dass ihre politischen Gegner sie aus Angst vor Instabilität politisch nicht konfrontieren.

Angela Merkel will es also nochmal wissen. Aber gibt es noch etwas, was ich von ihr wissen will? Eher nicht. Eigentlich wären ja jetzt diejenigen, die jahrelang auf sie eingedroschen haben, an der Reihe, sich mit alternativen Angeboten ins Gespräch und in Stellung zu bringen. Aber die Merkel-Kritiker sind plötzlich seltsam mundfaul, manche sind regelrecht verstummt und versammeln sich sogar hinter hier. Offenbar will keiner so richtig kanzlern.

Ob man die deutschen Eliten per Wahlrecht zum Wandel zwingen sollte? Diese Frage schwingt in der Debatte mit, ob die zeitliche Begrenzung von politischen Führungsämtern gut für die Demokratie wäre. Ich halte das für eine technische Diskussion. Die Amerikaner fanden auch, dass acht Jahre Barack Obama genug sind. Und plötzlich weinen ihm viele hinterher, obwohl er noch nicht mal weg ist. Wenn die Leute Angela Merkel nicht mehr haben wollen, brauchen sie sie einfach nur nicht mehr wählen, und das sollten sie dann auch tun.

Ja, zwölf Jahre Merkel sind genug. Aber gerade deswegen ist es gut, dass sie nochmal kandidiert. Es ist anständig von ihr, dass sie sich nicht vor ihrer Abwahl drückt. Was wäre passiert, wenn Merkel tatsächlich ihren Rückzug angekündigt hätte? Dieselben Aasgeier, die jetzt maulen, weil sie nochmal kandidiert, würden ihr Verantwortungslosigkeit vorwerfen, nach dem Motto: Erst das Land ins Chaos führen, und dann abtreten! Ich wüsste nicht, warum Merkel nicht kandidieren sollte. Ich wüsste allerdings auch nicht, warum man sie wählen sollte.

Woraus sich natürlich die Frage ableitet, wem man stattdessen seine Stimme geben sollte. Die Beantwortung dieser Frage ist das eigentlich Problem – und nicht die Tatsache, dass Angela Merkel nochmal kandidiert. Sollte die Menschen sie aus lauter Angst vor Veränderungen wiederwählen, dann bestätigt das nur, wie visionslos, mutlos und alternativlos die Politik in Deutschland ist. Und dafür, dass es scheinbar keine Alternativen zu Merkel gibt, kann man Merkel ausnahmsweise mal nicht verantwortlich machen. Den Job müssten eigentlich diejenigen machen, die die ganze Zeit „Merkel muss weg!“ geschrien haben.

Wenn sich niemand als Kanzler aufdrängt und niemand Überzeugendes anzubieten hat, dann werde ich niemanden wählen. Spätestens seit den Wahlergebnissen in diesem Jahr sollte jeder begriffen haben, dass Wählengehen an sich nichts mit demokratischer Gesinnung zu tun hat.

Wenn die etablierten politischen Kräfte meinen, sich immer mehr aneinander anpassen und von der Wirklichkeit abschotten zu müssen, dann sollen sie das tun. Wobei das absurd ist: Aus Angst vor einem deutschen Trump steigt Deutschlands politische Elite in Hillarys Rettungsboot. Da kann ich nur sagen: Gute Reise und Petry heil! Diese Strategie der „Hillarisierung“ der deutschen Politik könnte ähnliche Folgen wie in den USA – wenn auch vielleicht noch nicht bei der nächsten Bundestagswahl.

 

Dieser Kommentar ist am 25.11.2016 in der BFT Bürgerzeitung erschienen.