„Tsunami-Katastrophe: Deutsche Institutionen in Tokio weiterhin auf Tauchstation“

Während Behörden und Institutionen anderer Länder in die japanische Hauptstadt zurückkehren, bleibt die deutsche Botschaft in Osaka und die deutsche Schule als einzige bis auf weiteres geschlossen. In Japan lebende deutsche Abiturienten sollen Prüfungen in Köln ablegen.

Das Leben in Tokio normalisiert sich Schritt für Schritt. Ausländische Botschaften, die sich vorübergehend aus der japanischen Hauptstadt zurückgezogen hatten, öffnen wieder ihre Türen. Mary-Josée Haeberli Gravot von der Schweizer Botschaft begründete diesen Schritt mit der Verbesserung der allgemeinen Situation in Tokio hinsichtlich eventueller Nachbeben, der Stromversorgung, der Versorgung der Menschen sowie der Situation im öffentlichen Personennahverkehr. Derweil haben japanische und internationale Schulen den Unterrichtsbetrieb wieder aufgenommen, und auch internationale Unternehmen kehren zurück in ihre Bürogebäude.

Umso größer ist daher der Unmut vieler in Japan lebender Deutscher darüber, dass die Wiedereröffnung deutscher Institutionen in Tokio weiterhin auf sich warten lässt. Die deutsche Botschaft hat bislang eine Rückkehr nicht angekündigt und unterhält nicht mal einen Notdienst in der Stadt. „Warum müssen wir nun der geflüchteten Botschaft nachlaufen? Ist es nicht so, dass die Botschaft uns Zuflucht gewähren soll?“ fragen sich viele Deutsche in Japan angesichts der von Angst geprägten Vorgehensweise deutscher Behörden.

Besonders betroffen von den Fluchtinstinkten deutscher Behörden ist auch die Deutsche Schule Tokio Yokohama (DSTY). Dr. Thomas Nagano, Mitglied des Vorstandes der Stiftung DSTY, wies darauf hin, dass „außer den Schulen in den unmittelbar vom Erdbeben und Tsunami betroffenen Präfekturen die DSTY die einzige Schule innerhalb Japans sei, die derzeit nicht wieder ihre Tore geöffnet habe“. Als deutsche Auslandsschule habe man aber der Empfehlung des Auswärtigen Amtes zu folgen. Dieses rate weiterhin dazu, den Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen „wegen der verbleibenden Risiken und der höheren Strahlenempfindlichkeit“ in Ost-Japan zu vermeiden.

Diese offizielle Empfehlung stellt nach Angaben der DSTY-Website „die gesamte Schulgemeinschaft und darüber hinaus (aufgrund der betroffenen Familien der Mitarbeiter) viele Firmen und Institutionen in Japan vor große, teilweise unüberwindbare Herausforderungen und Konsequenzen“. Besonders problematisch ist die Situation für 35 angehende Abiturienten, die darauf warten, den Unterricht wieder aufnehmen zu dürfen, um dann im Mai ordnungsgemäß die Abiturprüfungen absolvieren zu können. Anstelle eines geregelten Unterrichtes werde seit dem 4. April in den Räumlichkeiten der Schule aber lediglich eine pädagogische Betreuung auf freiwilliger Basis.

Auf eine reale Gefährdung der Schüler durch Betreten der deutschen Schule ist der Unterrichtsausfall nicht zurückzuführen. Es sind keinerlei Schäden am Gebäude festgestellt worden. Der Grund für den Unterrichtsausfall geht aus einer weiterhin gültigen Sachstandsmitteilung auf der DSTY-Website vom 30.3. hervor „Die entsandten 11 Lehrkräfte dürfen nach wie vor nicht nach Tokio zurückreisen, um ihre Arbeit dort aufzunehmen, solange die zuständigen Stellen keine Entwarnung für den Raum Tokio-Yokohama geben.“

Im Rahmen des Solidaritätsbesuches von Guido Westerwelle in Tokio am 2. April, zu dem das Botschaftspersonal kurzzeitig aus Osaka angereist war, wurde dem Bundesaußenminister eine Petition der DSTY-Abiturienten überreicht. Zugleich wurde der Wunsch geäußert, man möge die Teilreisewarnung aufheben und dadurch den Schülern den Schulbesuch mit dem Ablegen des Abiturs in ihrer vertrauten Umgebung in Japan ermöglichen.

Bislang ohne Erfolg. Am 4. April teilten Dr. Judith Coulmas und Dr. Michael Szewczyk von der Schulleitung auf der Website der Schule mit, „dass die Klassen 12 und 13 ihre verpflichtende Präsenzzeit und die mündlichen Prüfungen in Köln“ zu absolvieren hätten. Man wisse sehr genau, dass das „weder dem ursprünglichen Wunsch einer großen Anzahl der Abiturienten noch deren Eltern“ entspreche. Auch der Vorstand und die Schulleitung hätten sich „sehr klar für Yokohama als vorrangigen Prüfungsort ausgesprochen“. Da aber Yokohama „aus rechtlichen Gründen derzeitig als Prüfungsort“ wegfalle und keiner wisse, wann die Schule wieder formal eröffnet werden könne, müsse auf diese „B-Lösung“ zurückgegriffen werden.