Zu ängstlich für die Freiheit?

Deutschland ist auf dem besten Weg in den Hosenscheißer-Staat.

Wir sind tolerant, wenn wir uns alle einig sind, freiheitsliebend, wenn es die eigene Freiheit von Belästigung betrifft, und demokratisch, wenn die Sonne am wolkenlosen Himmel steht. Aber sobald dunkle Wolken aufziehen, werfen wir alle Rechte über Bord und fordern von Vater Staat, er möge uns vor dem rauen Luftzug der Wirklichkeit bewahren.

In Deutschland haben ein paar Jugendliche so wenig demokratische und menschliche Orientierung und so wenig individuelle Perspektive, dass ihnen der Glaube an ein paar Jungfrauen im Paradies ausreicht, um das eigene Leben sowie das Leben anderer wegzuwerfen. Und wie reagiert Deutschland? Es führt sich auf wie ein Kleingärtner, dem ein fremder Hund ins Schnittlauchbeet uriniert hat: Es schimpft auf die Erziehungsberechtigten der Nachwuchs-Gotteskrieger, weist ansonsten jede Verantwortung weit von sich und sucht nach allen möglichen und unmöglichen Wegen, um den eigenen Gartenzaun ausbruch- und zugleich einbruchsicher zu machen.

Dschihadisten made in Germany, ob sie nun Michael, Monika oder Mohammed heißen, sollen bleiben, wo der Pfeffer wächst, wenn sie erst einmal dorthin gelangt sind, so heißt es – und dies, obwohl sie ihr Gedankengut doch in Deutschland erworben haben. Von japanischen Autoherstellern fordert man, fehlerhafte Exportgüter kostenfrei zurückzunehmen. Für Gotteskrieger mit deutschem Pass soll das wohl nicht gelten. Dabei wurde noch vor wenigen Wochen darüber diskutiert, wie man sicherstellen könne, dass diese unerwünschten Botschafter deutscher Zivilität am besten gar nicht erst das Land verlassen. Nachdem aber mittlerweile islamistische Propagandavideos aufgetaucht sind, in denen die daheimgebliebenen Glaubensbrüder und -schwestern dazu aufgerufen werden, in Deutschland den heiligen Krieg voranzutreiben, dürfte die Angsthasenrepublik froh sein, ihre Wutfrommen zur Entsorgung kostenlos in Richtung Syrien oder Irak abgeben zu können.

Selbstverständlich dreht sich mir als einem freiheitsliebenden Menschen der Magen um, wenn ich in der Fußgängerzone auf salafistische Koranverteiler treffe. Nicht, weil diese so unglaublich verführerisch und charismatisch sind und man davon ausgehen muss, dass ihnen sofort massenhaft die jungen Männer und Frauen nachlaufen. Sondern, weil ich befürchte, dass in unserer doch recht ziel- und orientierungslosen Gesellschaft das Auftreten von Leuten mit einer klaren Mission viele friedliebende Menschen dazu animiert, das Recht auf öffentliche Meinungsäußerung infrage zu stellen und damit letztlich genau das zu fordern, was Salafisten auch wollen.

Ich habe mich an das Magengrimmen gewöhnt. Nicht, weil ich ein Pazifist wäre und denken würde, dass jeder irgendwie Recht hat und mir daher nicht anmaße, andere zu be- und verurteilen. Ich bin kein Pazifist und erlaube mir durchaus eindeutige Standpunkte. Gerade deswegen bin ich dafür, dass Salafisten auch weiterhin ihre Meinung sagen dürfen. Nicht, um ihnen freien Lauf zu lassen, sondern im Gegenteil, weil man sich sowohl als einzelnes Individuum als auch als Gemeinschaft den Thesen von Salafisten aktiv und selbst entgegenstellen muss, und zwar mit all seiner Unabhängigkeit, mit all seinem Einsatz und all seiner Liebe für die Freiheit! Das, und nicht das wertfreie Alles-Hinnehmen oder das ängstliche Verbieten-Wollen, ist echte Toleranz. Meinungsverbote sind etwas für Gesellschaften, die sich nicht zutrauen, eigene Standpunkte zu verteidigen.

Warum sollten wir also wegen irgendwelchen weltfremden Gotteskriegern unsere hart erkämpften demokratischen Rechte genau dem Staat als Opfergaben hinwerfen, von dem wir wissen, dass er uns nicht einmal zutraut, die einfachsten Dinge des Lebens selbst und ohne seine aufmunternde Regulierungswut gebacken zu bekommen?!? Man kann Demokratie nicht schützen, indem man demokratische Rechte einschränkt. Wer fordert, der Staat solle Salafisten den Mund verbieten, der gibt das Recht aus der Hand, selbst darüber zu entscheiden, was er hören, sehen und sagen darf. Anders formuliert: Wer das Rederecht vom Inhalt der Rede abhängig machen will, untergräbt seine eigene Autonomie als Bürger – und begründet dies mit dem Schutz der Demokratie. Geht’s eigentlich noch?

Demokratie ist nichts für Weicheier, Sozialromantiker und Feiglinge: Es geht in der Demokratie darum, Konflikte in der Debatte auszutragen und Kämpfe um die Köpfe der Menschen zu führen, auf dass diese sich nicht, wie Kant es formulierte, in die selbstverschuldete Unmündigkeit zurückziehen, die ja so viel bequemer und sicherer ist. Demokratie ist kein pazifistischer Ringelreihen für Hosenscheißer. Sie zwingt diejenigen, die eigentlich lieber Waffen sprechen lassen, da sie selbst kaum etwas zu sagen haben, dazu, sich der Debatte zu stellen, wenn sie überhaupt ernstgenommen werden wollen. Das kann natürlich nur dann den gewünschten Erfolg haben, wenn den Bürgern zuzutrauen ist, selbst demokratische Entscheidungen zu treffen. Und wie lernen sie das am schnellsten? Sicherlich nicht dadurch, dass man ihnen diese Verantwortung abnimmt.

Eine Demokratie bedarf also vieler erwachsener Männer und Frauen „mit Eiern“, die für ihre Überzeugungen einstehen und nicht sofort nach Papa Staat rufen, wenn es mal rau, knifflig und dreckig wird. Im Gegensatz zu dem, was Demokratie von den Menschen einfordert, ist der Dschihad etwas für Feiglinge, die sich vor lauter Angst vor der Eigenverantwortung in die Hosen machen, weil sie Freiheit – sowohl die eigene als auch die der anderen – einfach nicht ertragen können.

Vor diesen bedauernswerten Gestalten zu kuschen und gleichzeitig nicht minder ängstlichen Politikern die eigenen demokratischen Rechte vor die Füße zu werfen, kann ja wohl nicht die Strategie sein. Wenn wir selbst nicht alles daran setzen, Menschen davon zu überzeugen, dass Salafisten Weicheier und Schisser sind, wie sollen wir dann Demokratie und Freiheit gegen Feinde verteidigen, die das nicht sind?

Dieser Artikel ist am 17.10.14 auf der Website der „Achse des Guten“ erschienen.