FreiHeitmanns Befreiungsschlag: Eigentlich ist Weihnacht Freinacht

19.12.2020 Ausgabe 04: Ebenezer Scrooge aus der vor genau 177 Jahren veröffentlichten „Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens wäre heute in all seiner Menschenverachtung weniger ein Kapitalist als vielmehr eine Kreuzung aus Robert Habeck und Karl Lauterbach.

Vor 177 Jahren, am 19. Dezember 1843 wurde die Erzählung „Christmas Carol“ des englischen Schriftstellers Charles Dickens veröffentlicht. Diese Geschichte lenkte damals die Aufmerksamkeit auf die katastrophalen Lebensumstände der armen Bevölkerung in den englischen Städten des 19. Jahrhunderts. Dickens Statement könnte man heute auch beschreiben als „Poor lives matter“.

Das Packende an dieser Weihnachtsgeschichte ist ihre Aktualität. Auch heute fristen viele Menschen ein so unwürdiges Dasein, dass man laut aufschreien möchte. Ebenso verbreitet ist aber auch die zynische und misanthropische Weltanschauung des Geschäftemachers und Geldverleihers Ebenezer Scrooge: Dessen Ablehnung von Weihnachten als „kommerzieller Humbug“, seiner Kritik an der geheuchelten Weihnachts-Menschlichkeit, seine Rede von „überschüssiger Bevölkerung“ oder Überbevölkerung – kommt ihnen das nicht irgendwie bekannt und brandaktuell vor?

In der Weihnacht wird Scrooge von den Geistern der vergangenen, der gegenwärtigen und der zukünftigen Weihnacht heimgesucht. Sie konfrontieren ihn mit seiner eigenen armseligen und unmenschlichen Existenz und mit seinem ihn bald erwartenden nicht minder jämmerlichen Ende. Das hinterlässt Spuren: Der alte Scrooge entdeckt die Menschlichkeit wieder und ändert sein Leben.

Wie sähe die Weihnachtsgeschichte wohl aus, wenn Charles Dickens sie in heutigen Zeiten schreiben würde? Auch heute gäbe es für ihn genügend Gründe, um auf das Schicksal Mittelloser und auf den Mangel an Menschlichkeit im Alltag aufmerksam zu machen.

Anders als damals würde Dickens heute aber wohl die Person des Ebenezer Scrooge zeichnen. Die Charakterzüge Menschenfeindlichkeit, elitäre Arroganz gegenüber dem Pöbel, Abscheu gegenüber Kommerz und einfacher menschlicher Freude – all sie sind auch heute anzutreffen. Aber sie sind eben gerade nicht mehr stilprägend für eine kleine Kaste wohlhabender Unternehmer: Denn die schlagen sich große Teile ihrer Zeit mit Klimaschutz-, Umweltschutz-, Gesundheitsschutz- und mit Gleichstellungsprogrammen um die Ohren.

Nein, der offen menschenverachtende Scrooge wäre heute ein radikaler Umweltaktivist ohne Verständnis für menschliche Regungen, oder Toleranz für die Freiheitsliebe seiner Zeitgenossen. Ihm wären Begriffe wie „überschüssige Bevölkerung“ oder die Kritik am „kommerziellen Weihnachtstrubel“ und an der verlogenen Mitmenschlichkeit überaus vertraut.

Dieser „Ökonezer Scrooge“ würde sogar weitergehen: Weihnachtsbeleuchtung wäre für ihn Energieverschwendung und Lichtverschmutzung, und der Weihnachtsbraten, die Fernreisen zu Verwandten, der materialistische Geschenkewahn und das Feuerwerk zum Jahresabschluss stünden nicht auf seiner Wunsch-, sondern ganz oben auf seiner Verbotsliste.

Hätte Dickens seine Weihnachtsgeschichte 2020 geschrieben, könnte man sich Scrooge auch als eine Kreuzung aus Robert Habeck und Karl Lauterbach vorstellen. Dieser heutige Scrooge würde am Weihnachtsabend aus dem Fenster schauen und sein Werk betrachten: voller Stolz, weil er endlich niemanden mehr zu Gesicht bekommt, außer Polizisten und Soldaten, die Wache schieben, die Marktplätze sind leer, die Kirchen auch, die Altenheime sind verbarrikadiert.

Das Streben nach mehr Menschlichkeit ist endlich erfolgreich ersetzt worden: Denn nun regiert die totale Gesundheitsverantwortung. Nächstenliebe funktioniert nicht, wenn man den Nächsten bittet, möglichst viel Abstand zu halten. Wer braucht da schon Weihnachten, das Fest der heiligen Infektion?

Was denken Sie? Hat dieser Corona-Scrooge wirklich gewonnen? Freilich, der Geist der gegenwärtigen Weihnacht liegt gefesselt und mit Mundschutz geknebelt im Keller. Doch die anderen beiden Geister, der der vergangenen und der zukünftigen Weihnacht, werden für ihn einspringen. Und es werden sich andere Geister dazugesellen: der Freiheitsgeist, der Widerspruchsgeist, und der eigenständig denkende Geist.

Ich empfehle Ihnen für dieses Weihnachten, mal wieder Charles Dickens Weihnachtsgeschichte zu lesen oder sich eine der Verfilmungen anzuschauen – noch stehen die ja nicht auf dem Index.

Diese Geschichte kann helfen, sich zu immunisieren gegen die Menschenverachtung der zunehmend ratlosen Gesundheitsapostel und Notstandsverfechter. Und egal, wie grau die Gegenwart auch sein mag und wie mürbe sie uns macht: Denken Sie immer an die Erkenntnis des Ebenezer Scrooge: „Die Wege der Menschen deuten ein bestimmtes Ende voraus, auf das sie hinführen, wenn man auf ihnen beharrt. Aber wenn man von diesen Wegen abweicht, ändert sich auch das Ende.“

Bitte weichen Sie von den Wegen ab und schlagen Sie neue ein. Am besten in Richtung Freiheit. Denn eigentlich ist Weihnacht Freinacht!

Der Podcast wurde am 19.12.2020 auf der Website von Boris Reitschuster veröffentlicht.


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