Wann beginnen die politischen Weichenstellungen für die Bioökonomie?


Vor nicht einmal zehn Monaten beschrieben Kanzleramtsminister Altmaier und Bundesforschungsministerin Wanka die Biotechnologie als nächsten großen Innovationstreiber der deutschen Volkswirtschaft. Heute ist von mutigen Weichenstellungen keine Rede mehr: Die Republik badet im Stillstand und wartet darauf, dass irgendjemand irgendwann den Stöpsel zieht.

Bioökonomie darf keine Zukunftsmusik bleiben

Schon die Jamaika-Sondierungen nach der Bundestagswahl verhießen nichts Gutes. Ohne eine gemeinsame und wegweisende Idee verbiss man sich im Kleingedruckten – Fußnoten taugen eben nicht als Melodieersatz. Es zeigte sich: Wer versucht, die Zukunft haarklein festzulegen, der will sie eigentlich verhindern. Ähnlich hatte es vor vielen Jahren bereits ein gewisser Karl Marx formuliert: „Wer ein Programm für die Zukunft verfasst, ist ein Reaktionär.“

Die Neuauflage der ehemals großen Koalition von CDU und SPD verheißt jedoch auch kein Umdenken. Nicht wenige fordern daher einen Generationenwechsel in der Politik. Das Problem ist nur: Der Nachwuchs verkörpert eben diese personalisierte und entpolitisierte Kultur noch authentischer – und noch blasser. Es mag absurd klingen: Aber die Personalisierung der Politik führt dazu, dass weniger politische Charakterköpfe nach oben kommen.

Die Brandts, Kohls, Schmidts, Strauß‘ und Wehners konnte es nur in Zeiten geben, in denen Politik von unterschiedlichen Ideologien und Ideen und vom Ringen um reale Fortschritte bestimmt war. Das heutige Problem ist nicht das Alter der Politiker, sondern das Alter ihres Denkens, ihre fast grenzenlose Kompromissbereitschaft sowie der Umstand, dass sie niemand dazu zwingt, ein eigenes Profil zu entwickeln und die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen.

Unsere heutige Planungs- und Sondierungsgesellschaft huldigt der Risikovermeidung und meint, man bleibe dadurch fit, indem man sich möglichst wenig bewegt. Schon heute zahlen wir für dieses Denken einen hohen Preis: Sehenden Auges verpassen wir die Zukunft und verpassen uns eine Gegenwart ohne Perspektive. Wir brauchen eine wirkliche Kulturrevolution, in der Stillstand nicht als Stabilität, sondern als Rückschritt begriffen wird. In kaum einem Bereich ist dies so offensichtlich wie in der Bioökonomie.

Damit der Wirtschaftsstandort Deutschland künftig eine Vorreiterrolle spielen kann, braucht er eine politische Führung, die das gegenwärtige Grenzendenken überwindet und die Förderung von Mensch und Technik als Einheit versteht. Wir sollten dies nicht von unserem gegenwärtigen Politpersonal erwarten. Das Fehlen moderner Vordenker ist aber auch eine Chance, denn so bleibt genügend Raum, selbst und auf eigene Faust zu denken – und dann auch zu handeln.

Dieser Kommentar ist in der Ausgabe 2/2018 von BIOspektrum, dem Magazin für Biowissenschaften, erschienen.