Nach Germanwings-Absturz: De Maizière will „was tun“ – und verschärft die Ausweispflicht bei Passagieren

Als Lehre aus dem Absturz der Germanwings-Maschine will Bundesinnenminister Thomas de Maizière künftig die Passagiere schärfer kontrollieren und die Ausweispflicht auf allen Flügen einführen. Dass das Fliegen im Schengen-Raum wie das Busfahren noch ohne Ausweis möglich sei, stelle ein „riesiges Sicherheitsproblem“ dar, sagte der CDU-Politiker gegenüber der „Bild“-Zeitung.

Nun kann man zum ausweisfreien Fliegen unterschiedlicher Ansicht sein, keine Frage. Inwieweit aber allein schon die Erörterung dieser Frage überhaupt ernsthaft mit dem offensichtlich durch den Co-Piloten der Maschine herbeigeführten Absturz der Germanwings-Maschine in Verbindung gebracht werden kann, lässt sich mit Mitteln des gesunden Menschenverstandes jedoch kaum nachvollziehen. Hätte eine strikte Ausweiskontrolle von Passagieren den Absturz verhindert? Ist bisher ein Flugzeugabsturz durch fehlende Ausweiskontrollen herbeigeführt worden?

De Maizières „Lehren“ aus der Katastrophe wären amüsant und lächerlich, wären sie nicht zugleich so widerlich und zugleich doch auch so typisch für unsere heutige Angst- und Misstrauenskultur. Unser stetiges Suchen nach Ursachen und Schuldigen bei Katastrophen hat sich mittlerweile so verselbständigt und ritualisiert, dass „gesellschaftliche Lernprozesse“ auch dann durchlaufen werden, wenn es für eine Gesellschaft nur herzlich wenig zu lernen gibt. Was sollte aus dem Absturz der Germanwings-Maschine gelernt werden außer, dass Piloten eventuell etwas eingehender auch in psychologischer Hinsicht untersucht werden bzw. die Ergebnisse solcher Untersuchungen dann auch an die richtigen Stellen weitergeleitet werden sollten?

Aber nein, eine solche begrenzte und technische Lehre scheint angesichts einer solchen Katastrophe völlig unangemessen zu sein. Da muss schon mehr daraus gelernt werden. Und hier zeigt sich nun der menschenverachtende Zeitgeist unserer Tage: Was immer wir heute lernen sollen, es muss immer die Schlussfolgerung nach sich ziehen, dass wir die Dinge stärker kontrollieren sollten, um Unheil zu verhindern, koste es, was es wolle. Und immer muss die Moral von der Geschicht‘ sein, dass wir ohne stärkere Kontrolle dem Untergang geweiht sind, einfach, weil man uns Menschen nun einmal über den Weg trauen kann.

Und die besondere Betroffenheit lässt sich in einem solchen Klima nicht durch menschliche Gesten demonstrieren – wie sie vielleicht angemessen wären –, sondern nur durch Härte, völlig egal, ob sie am Thema vorbeigeht oder nicht. Man muss ja schließlich „irgendetwas tun“. Mit diesem Credo wird ja im Westen schließlich seit Jahren schon Außenpolitik betrieben. Die einzige Sprache, die hier noch gesprochen wird, ist die der „generellen Verschärfung“ – ganz gleich von was. Und da der Mensch unter Generalverdacht steht, muss die Verschärfung in jedem Falle ihn stärker an die Kandare nehmen, unabhängig davon, ob ein Zuviel an Freiraum die Katastrophe ausgelöst hat oder nicht.

Das Übelste an dieser automatisierten Verschärfungs-Logik ist aber: Ihr ist jeder Anlass recht, was bedeutet, dass letztlich der Anlass völlig unwichtig ist. Die Opfer werden nicht betrauert, sondern posthum missbraucht, um Politik gegen Menschen zu rechtfertigen. Manchmal ist man angesichts einer solch zynischen Polit-Kultur versucht, seinen Pass nicht nur zu Hause zu lassen, sondern ihn ganz zurückzugeben.

 

Dieser Kommentar ist auch in der BFT-Bürgerzeitung erschienen.