In der Dezemberausgabe der Zeitschrift „eigentümlich frei“ (Nr. 158/2015) ist die Rezension meines Buches von Edgar L. Gärtner erschienen.
Man hat den bei uns seit der Jahrtausendwende beinahe unumschränkt herrschenden zukunftsvergessenen Zeitgeist oft mit einer dogmatischen Religion verglichen. Die unvoreingenommene Beobachtung verschiedener Manifestationen der links-grünen Mainstream-Mentalität widerspricht aber dieser Einschätzung: Religiöses hat im Bewusstsein der großen Mehrheit unserer Zeitgenossen einen sehr niedrigen Stellenwert. Sonst könnte man sich kaum erklären, warum Grüne Windräder ohne Skrupel in Landschaftsschutzgebieten aufstellen. Man könnte auch nicht verstehen, warum sie, völlig blauäugig, bunte Luftballons und Spruchbänder schwenkend Hunderttausenden Angehörigen einer Religion auf deutschem Boden willkommen heißen, die die glatte Antithese zum Christentum darstellt, aus dem selbst laizistische Europäer, wenn auch kaum bewusst, noch immer ihre kulturelle Identität herleiten. Der typische grüne Gutmensch ist religiös indifferent – eine Tabula rasa, die von Dschihadisten nur als Einladung verstanden werden kann, und er begreift Menschen lediglich biologistisch als eine Art höhere Tiere, aber nicht als kreative geistige Wesen. Der Frankfurter Publizist Matthias Heitmann sieht die Quelle der heute dominierenden bornierten Weltsicht nicht in der Religion, sondern eher in der Pathologie. Denn nur wer sichtbar an einer Modekrankheit leidet, wird heute moralisch akzeptiert. Die obsessive Beschäftigung mit Krankheit und Tod sei zum Religionsersatz der Postmoderne geworden, stellt Heitmann fest. Er vermeidet es aber, die vermutlich dahinter stehende schwere psychische Störung beim Namen zu nennen. Es handelt sich meines Erachtens um den Narzissmus, der nach Einschätzung eines befreundeten libertären Psychoanalytikers nur äußerst schwer heilbar ist. Die durch elterliche Erziehungsfehler (zu viel Lob) verursachte Reifestörung, hat nach einem Ende Mai 2015 in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erschienenen Beitrag von Francesco Giammarco in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Wichtigster Indikator dafür sind ausgefallene Vornamen, die Eltern ihren Kindern geben. Auffällige Neurosen werden hingegen immer seltener. In einer Neuauflage des Buches oder in einer ganz neuen Abhandlung sollte sich Heitmann meines Erachtens auf den Narzissmus als postmoderne Jahrhundert-Krankheit konzentrieren. Narzissten glauben im Grunde an nichts richtig. Sie richten ihre durch enttäuschte Selbstliebe entstandene Aggressivität gegen sich selbst und konzentrieren sich darauf, ihre innere Leere und vagabundierenden Ängste durch moralische Überheblichkeit gegenüber dem „Pack“, durch scheinbar gute Taten oder auch durch Genuss- und Ruhmsucht, durch die Kultivierung von Schuldkomplexen und deren Nutzung für die eigene Imagepflege zu überspielen. Am Gelingen von Großprojekten ist Narzissten wenig gelegen. Sie hinterlassen der Nachwelt eher Bauruinen wie den Berliner Flughafen BER oder die Hamburger Elbe-Harmonie als nützliche Institutionen. Ihre zweite Lebenshälfte ähnelt logischerweise einer Tragödie. Deshalb ist Zukunft für sie kein Thema. Sie leben nach der Devise YOLO (You only live once), stellt Matthias Heitmann fest. „Der Kern des heutigen Zeitgeistes besteht nicht in der gezielten Diskriminierung bestimmter Menschengruppen, sondern in der viel pauschaleren Entwertung und Ablehnung all dessen, was den Menschen und das Menschsein insgesamt ausmacht“, resümiert Heitmann seine Analyse. Auch diese Diagnose ist nicht ganz neu, hat doch der bekannte nordirische Gelehrte und Schriftsteller C. S. Lewis schon in den 1940er Jahren vor der „Abschaffung des Menschen“ gewarnt. Das kann Matthias Heitmann aber nicht vorgeworfen werden, weil Lewis heute noch nur frommen Christen bekannt ist. Alles in allem ist Heitmanns Erstlings-Werk ein Lesegenuss für alle, die sich ein Bild machen wollen von den geistigen Verwirrungen der Postmoderne. (Edgar L. Gärtner)
Diese Rezension ist in der Zeitschrift „eigentümlich frei“, Nr. 158, Dezember 2015, S. 61 erschienen.