LTW 2016: Parteiimplosionen und Gerölllawinen

Frank Lübberding legt in seinem heutigen  Beitrag „Deutschlands neue Einheitspartei“ im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung den Finger in die richtige Wunde – oder sollte man sagen, die ganze Hand?

Noch immer mühen sich Vertreter der etablierten Politik, krachende Niederlagen als Erfolge und klatschende Ohrfeigen als Liebesbeweis zu verkaufen. Das Problem ist aber, dass ihnen das nicht nur in den diversen Talkshows keiner mehr abnimmt, sondern ihnen auch schon zuvor niemand mehr über den Weg traut.

Immerhin: Manche sahen in den gestrigen Wahlergebnissen ein Anzeichen dafür, dass die Demokratie in Deutschland funktioniert. Dem kann man zustimmen, wenn man die Aussage darauf bezieht, dass es tatsächlich erlaubt ist, Parteien zu wählen, die von den Etablierten zu Demokratiefeinden erklärt werden. Man kann der Aussage auch zustimmen, wenn man damit meint, dass es möglich ist, Nichtwähler zurück an die Urnen zu locken.

Ob wir aber wirklich von einer funktionierenden Demokratie sprechen können, kann dennoch kontrovers diskutiert werden. Demokratie ist mehr als Kreuzchen machen. Sie hat etwas mit einer offenen demokratischen Diskussionskultur zu tun, in der es um sachliche Argumente und um Zukunftsvisionen geht, in der sich Politiker als Zeitarbeiter des Souveräns verstehen, ihn entsprechend behandeln und in seinem Auftrag handeln.

Daher bleiben wir skeptisch, was das Funktionieren unserer Demokratie anbelangt. Und mit derselben Skepsis treten wir auch denjenigen gegenüber, die von sich behaupten, eigentlich „das Volk“ zu repräsentieren. Vielleicht sollten wir beginnen, Demokratie nicht immer nur von oben nach unten zu denken (und von unten nach oben zu schimpfen). Wenn unsere Parteiapparate nicht in der Lage sind, Vorbilder zu erzeugen, dann sollten wir auch nicht darauf warten, sondern selbst damit beginnen, politische demokratische Kultur in unserem Umfeld zu pflanzen, in unserem Umgang mit Bekannten und auch mit Fremden.

Ob wir eine Krise der Demokratie haben, lässt sich nicht an Wahlergebnissen ablesen, sondern nur an unserem eigenen Verhalten. Hierzu schreibt Frank Lübberding zutreffend:
„Die etablierten Parteien bilden offensichtlich nicht mehr den Wählerwillen in Deutschland ab. Daran konnten die rhetorischen Übungen ihrer Vertreter bei Frau Will nichts mehr ändern. Was wir gestern Abend erlebten, war deshalb nicht die Krise der repräsentativen Demokratie, sondern der sie bisher tragenden Parteien.“ Recht hat er.