Über die halbherzige Innovationsdebatte im deutschen Fußball
(Erschienen in Novo69, März/April 2004)
Auch im Fußball dreht sich die Innovationsdiskussion im (Mittel-)Kreis: Da wird bemängelt, dass die Ronaldos, Beckhams und Zidanes dieser Welt einen weiten Bogen um die Bundesliga machen. Und Einigkeit herrscht, dass neue Finanzquellen erschlossen werden müssten, um Spieler von Weltformat in die Bundesliga zu locken. Aber wehe, es kommt ein konkreter Vorschlag! Sofort bauen Traditionalisten ihren Abwehrriegel auf, und die Innovation steht im Abseits, bevor sie überhaupt ernsthaft diskutiert wird.
Zwei Ideen standen in den letzten Monaten im (freien) Raum: So wurde angeregt, die Anstoßzeiten so zu verändern, dass der ostasiatische Fußballmarkt mit Direktübertragungen zur dort besten Sendezeit bedient werden könnte, wie es der englische Fußball bereits auf lukrative Art und Weise tut. „Niemals!“, schallte es sofort aus dem Traditionalistenblock, der „Samstag, 15.30 Uhr“ als die einzig wahrhaftige Anstoßzeit hält. Dass in England seit Jahrzehnten Sonntagsmittags angestoßen wird, ohne dass der britische Fußball darunter leidet und Ehemänner (und -frauen) scharenweise auf die Barrikaden gehen, wird dem ohnehin als fragwürdig geltenden Freizeitstil der Insulaner zugeschrieben. Schließlich verbringen sie ja auch ganze Tage mit Cricket. Der deutsche Fußball will wohl lieber unter sich bleiben. Wenn Chinesen und Japaner schon Bundesliga gucken und dafür sogar viel Geld bezahlen wollen, müssen sie halt länger aufbleiben. Nebenbei bemerkt: Auch deutsche Stadionbesucher würden profitieren. Sie könnten nach Spielende bequem nach Hause fahren, ohne die abendliche Sportschau zu verpassen.
Noch erbärmlicher verlief aber die Diskussion darüber, die Halbzeitpause zu verlängern, damit im Stadion mehr Würstchen gegessen werden und die Vereine mehr Halbzeitwerbung machen können. Dieser Veränderungsvorschlag ist so mickrig, dass man an ihn kaum den Begriff „Innovation“ verschwenden möchte – dennoch war die Empörung groß. Man fragt sich, wem eine um fünf Minuten längere Halbzeitpause wehtut. Den Spielern? Wohl kaum. Den Fans? Auch nicht, denn man könnte in der Pause sowohl ein Würstchen ergattern als auch pinkeln gehen. Und man müsste nicht notgedrungen Zeuge des in der Regel peinlichen Pausen-Entertainments auf dem Rasen werden. Aber selbst für derlei Tropfen auf den heißen Stein ist das deutsche Fußball-Establishment wohl zu provinziell.