Über die Umerziehungspläne für italienische Hooligans.
Co-Autor: Dominik Standish
(Erschienen in Novo77, Juli/August 2005)
Alle Jahre wieder, wenn in irgendeinem Fußballstadion auf unserem Erdball Zuschauer über die Stränge schlagen, kocht die Hooligan-Debatte hoch. Den jüngsten Anlass hierfür warfen die Fans von Internazionale Mailand beim Champions-League-Halbfinale gegen den Stadtrivalen AC in Form von zahlreichen Leuchtraketen auf das Spielfeld. Der Rest ist bekannt: das Spiel wurde abgebrochen, der AC zum Sieger erklärt, was ihm letztlich wenig nutzte, denn im Finale ließ man sich von Liverpool die Butter vom eigentlich bereits gegessenen Brot nehmen.
Während in anderen „großen“ Fußballnationen Europas das so genannte Hooligan-Problem erfolgreich aus den modernen Sport-Arenen verbannt wurde, steht das Thema Gewalt in den Stadien in den italienischen Sportgazetten weiterhin hoch im Kurs. Der Grund hierfür liegt weniger in der viel zitierten südländischen Heißblütigkeit – gegen deren Existenz spricht schon der als unterkühlt geltende italienische Catenaccio –, sondern in der Heruntergekommenheit italienischer Fußballstadien, die nichts von dem zuweilen beängstigenden Wellness-and-Safety-Charme versprühen, den deutsche oder englische Fußball-Tempel heute verbreiten.
Ob allerdings die nun geplanten Anti-Gewalt-Strategien des italienischen Fußballverbandes das Problem eindämmen werden, muss bezweifelt werden. Künftig sollen Spiele, in deren Vorfeld oder Verlauf es zu gewalttätigen Handlungen kommt oder Gegenstände auf das Spielfeld geworfen werden, entweder gar nicht erst angepfiffen oder sofort abgebrochen werden. Der Verein, von dessen Fans Gewalt ausgeht, soll automatisch zum Verlierer des Spiels erklärt werden. Da kann man nur hoffen, dass kein Fan auf die Idee kommt, sich in den gegnerischen Block zu schleichen, um seinem Team mit einem „großen Wurf“ zu einem unerwarteten Sieg zu verhelfen. Wenn das nicht verlockend ist…? Denn wie will man kontrollieren, ob jemand Fan von Inter oder vom AC ist? Noch mehr Überwachungskameras im Stadion oder zu Hause? Wie wär’s mit zusätzlichen Lügendetektortests am Kassenhäuschen?
Noch bessere Ergebnisse könnte da die Philosophie von Oliver Bierhoff bringen. Der Teammanager der deutschen Nationalmannschaft beschwerte sich jüngst nach dem Freundschaftsspiel gegen den FC Bayern München über die „Sauerei“, dass die Münchener Fans den National-Ersatztorhüter Jens Lehmann bei jeder Ballberührung auspfiffen. Wehret den Anfängen, mag sich Bierhoff gedacht haben: wer pfeift, schmeißt bestimmt auch mit Steinen. Am besten wäre es, jedwede Emotionsregung im Stadion zu verbieten. Auf dem grünen Rasen ist diese Philosophie schon weitgehend durchgesetzt: Für übermäßiges Bejubeln eines Tores gibt es die gelbe Karte. Religiöse Symbole und bedruckte T-Shirts unter dem Vereinstrikot sind ebenfalls untersagt, Meckern ohnehin. Überträgt man diese Maxime nun auch auf die Zuschauerränge, müsste sich das Hooligan-Problem doch von alleine lösen, oder? Manchmal muss man eben härter durchgreifen, als es der gesunde Menschenverstand erlaubt. Die WM 2006 ist erst dann wirklich sicher, wenn sie wegen „Gefahr im Verzuge“ verboten wird.
Lieber Herr FIFA-Präsident, bitte setzen Sie diesen Vorschlag nicht um, er war ironisch gemeint!