Gute Nachricht: Schockbilder schockieren nicht

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Nach dem Aufschrei folgte – nichts. Nicht einmal einen Boom bei den Zigarettenetuis.

Seit Mai sollen Schockbilder auf Zigarettenpackungen die Menschen vom Erwerb derselben abhalten. „Das hat sich bei uns schlichtweg nicht ausgewirkt“ wird Rainer von Bötticher vom Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) in dem Artikel „Tabakindustrie unbeeindruckt von Schockbildern“ in der Printausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 20.9.2016 (S. 22) zitiert.

Zwar habe es kurzzeitig einen Anstieg beim Verkauf von Zigarettenetuis gegeben, sagt von Bötticher. „Von einem Boom kann man aber nicht sprechen, viele leben auch ohne Etui.“ Angesichts der stabilen Absatz- und Umsatzentwicklung des Tabakwaren-Einzelhandels gibt es für ihn „keinen Wirkungszusammenhang“ zwischen Gruselbildern und Kaufbereitschaft. Zwar sei weiterhin ein kontinuierlicher Rückgang des Zigarettenverkaufs zu verzeichnen, gleichzeitig sei aber der Umsatz von Feinschnitt im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 6,6 Prozent auf gut eine Milliarde Euro angestiegen. Gerade beim Feinschnitt, also Tabak der in einer Dose verkauft und dann zur Zigarette gedreht oder gestopft wird, steige der Absatz, sagt der Geschäftsführer des Verbands der Deutschen Rauchtabakindustrie, Michael von Foerster.

Auch Tabakhändler vor Ort bestätigen die ungebrochene Nachfrage. Gegenüber den Lübecker Nachrichten bestätigte Sven Drews, Filialleiter von Wohlsdorff Tobacco in der Lübecker Innenstadt: „Der große Schockeffekt ist nicht eingetreten“. Es gebe sogar Raucher, die die Schockbilder sammeln. „Wann kommt das erste Sammelalbum, das ist der Running Gag bei den Kunden.“

Während also bei Erwachsenen die Schockbilder nach ein paar Wochen der Gewöhnung mehr oder minder wirkungslos sind, können Kinder mit den nun überall zu sehenden Schockbildern weniger gut umgehen – ganz unabhängig davon, ob die eigenen Eltern nun Raucher sind oder nicht. „Kinder können durch solch grausige Bilder Angst bekommen“, bestätigt der Lübecker Kinder- und Jugendtherapeut Hans-Günter Riedel gegen den Lübecker Nacrichten. „Das kann bis hin zu Alpträumen gehen“ („Schockbilder ohne Wirkung: Zigarettenabsatz ist gestiegen“, in Lübcker Nachrichten, 21.9.16, S.1).

Menschen durch Einschüchterung und Verängstigung zu „richtigem Verhalten“ anzuleiten, ist, wenn man es so sagen möchte, ein Kommunikationsstil, der nicht mehr in die heutige Zeit passt – weder im Umgang mit Kindern, noch mit erwachsenen Bürgern. Es ist daher eine gute Nachricht, dass die Schockbilder bei Erwachsenen keine schockierende Wirkung erzielen. Gerade in der heutigen Zeit, in der an allen Ecken und Enden die Eigenverantwortung, die Mündigkeit und die Eigenständigkeit von Bürgern immer wieder zugunsten einer vermeintlich besseren, sicheren und moralisch einwandfreieren Regulierung von oben geopfert wird, macht es Mut, wenn sich Menschen nicht durch ein paar Schockbilder in ihrem Handeln umpolen lassen.

Dieser Kommentar ist am 21.9.16 in der BFT Bürgerzeitung erschienen.