FreiHeitmanns Befreiungsschlag: Hoch die nationale Souveränität!

26.02.2022 – Die beste internationale Friedensbewegung wäre eine Bewegung für die Verteidigung nationaler Souveränität – und das weltweit. Denn nur souveräne und selbstverantwortliche Gesellschaften haben die Chance, frei und demokratisch zu bleiben oder zu werden. Von der westlichen Staatengemeinschaft, die selbst Werte wie Demokratie und Selbstbestimmung in aller Welt mit Füßen tritt, ist dies nicht zu erwarten.

„Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht. (…) Aber heute geht es nicht nur um Europa. Kein Land der Welt kann akzeptieren, dass die Souveränität anderer zur Disposition steht, wenn sein stärkerer Nachbar es will.“

Die Worte der deutschen Außenministerin Analena Baerbock klingen gut. Sie fordert die weltweite Achtung und Verteidigung staatlicher Souveränität. Das Blöde ist nur: Genau diese Verteidigung staatlicher Souveränität ist vom Westen nicht zu erwarten. Warum nicht? Weil der Westen seit Jahrzehnten nationale Souveränität immer nur dann akzeptiert, wenn es ihm politisch gelegen kommt.

Der russische Präsident Vladimir Putin mag größenwahnsinnig, durchgeknallt oder gedopt sein, dumm ist er nicht. Den sehr selektiven und auch verlogenen Umgang des Westens mit der nationalen Souveränität anderer Länder hat er sich jahrelang sehr genau angesehen, und er hat gut zugehört, wie im Westen argumentiert wird, wenn dann doch in andere Länder gegen deren Willen eingegriffen wird. Und genau diese Rhetorik wendet Putin nun selbst an. Seine Rechtfertigung des Überfalls auf die Ukraine erinnert stark an die Art und Weise, mit der westliche Politiker ihre eigenen Kriege rechtfertigen. Beispiele gefällig?

  1. Die Anerkennung von nach Unabhängigkeit strebenden unterdrückten Teilrepubliken – das kennen wir aus dem Jugoslawienkrieg. Komischerweise fand es der Westen damals gut, Teilrepubliken anzuerkennen. Gerade auch in grünen und pazifistischen Kreisen wurde heftigst dafür gestritten und dafür die Eskalation der Spannungen auf dem Balkan in Kauf genommen.
  2. Entsendung von Truppen zur Friedenssicherung, Stationierung sogenannter Friedenstruppen – das ist seit vielen Jahrzehnten ein akzeptierter Bestandteil westlicher Außenpolitik.
  3. Verhinderung eines Genozids – dieses besonders zynische Argument ist ebenfalls keine Erfindung von Putin, sondern eine fast schon gängige Formulierung außenpolitischer Ziele
  4. Begrenzte Militäroperationen. Das klingt viel schöner als „Krieg“. In Deutschland hat es 8 Jahre gedauert, bis die Politik das militärische Engagement in Afghanistan als Krieg bezeichnet hat.
  5. Bekämpfung von Terrorismus und Nazi-Gewalt – auch dieses Argument kennen wir aus der rhetorischen Vorratskammer westlicher Kriegsführung, die vorgibt, keine zu sein. Wer in den letzten 30 Jahren alles schon mit Hitler verglichen wurde – in diese Riege bisher nicht offiziell aufgenommen worden zu sein, dürfte eine der größten Kränkungen sein, die Putin bislang erfahren hat
  6. Selbstverteidigung durch Angriff. Erinnern Sie sich noch: Unsere Sicherheit wurde ja auch im Hindukusch verteidigt. Das hat ja auch super geklappt. Und denken Sie bloß an die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein. Da wurde dann plötzlich die nationale Souveränität des Irak zu einem Schutzschild für Massenmörder erklärt.

So neu ist die Welt also gar nicht, in der wir uns seit dem Angriff auf die Ukraine befinden. Und wenn wir ehrlich sind, wissen wir auch, dass diejenigen Staaten, die nun Solidarität mit der Ukraine beteuern, mit nationaler Souveränität nichts am Hut haben – es sei denn, es geht um die eigene. Und selbst davon kann man nicht mehr unbedingt ausgehen: Immerhin basiert die Europäische Union auf der Idee, dass Staaten ihre Souveränität abgeben sollen. Und wer sich dagegen wehrt, wird beschimpft, verklagt und bestraft. Ungarn und Polen bekommen das derzeit regelmäßig zu spüren. Großbritannien hat daraus für sich die Konsequenzen gezogen. Der Brexit war ein Akt der Zurückgewinnung staatlicher Souveränität. Der europäische Hass auf den Brexit zeigt, wieviel diejenigen EU-Politiker von nationaler Souveränität halten, die nun der Ukraine ihre Unterstützung versichern.

Durch seine eigene Verlogenheit hat der Westen Putin jahrzehntelang mit ideologischer Munition versorgt und zugleich die eigene Position korrumpiert. Die Ukraine wird aktuell von allen Seiten angegriffen: Militärisch von Russland, und ideologisch vom postmodernen Westen, der selbst nicht mehr an staatliche Souveränität glaubt und allzu schnell bereit ist, diese für einen besseren Deal zu opfern. Wer so verlogene Freunde hat, ist verloren, wenn er auf deren Unterstützung baut.

Der Aufschrei mag im ersten Moment laut sein. Aber solange diejenigen, die jetzt aufschreien, auch weiterhin schweigen, wenn es um das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Irak, in Syrien, Afghanistan, Libyen, Somalia, Mali oder auf dem Balkan geht, solange also staatliche Souveränität nicht einmal im Westen als Basis für demokratische und freiheitliche gesellschaftliche Entwicklungen anerkannt wird, solange werden Aggressoren wie Putin auch in Zukunft mit politischer korrekter Rhetorik Kriege führen können.

Die beste internationale Friedensbewegung wäre eine Bewegung für die Verteidigung nationaler Souveränität – und das weltweit. Denn nur souveräne und selbstverantwortliche Gesellschaften haben die Chance, frei und demokratisch zu bleiben oder zu werden.
Hoch die internationale Solidarität!
Hoch die nationale Souveränität!

Dieser Artikel ist zuerst auf der Website www.reitschuster.de erschienen.