Ein Gesprächsangebot von Matthias Heitmann.
Du kennst mich nicht, oder nur ein bisschen? Ich bin außerhalb Deiner Kreise, nicht aus Deiner Bubble? Umso schöner, wenn Du diesen Text dennoch lesen möchtest.
Vorab kann ich Dir schon einmal folgendes versichern:
Block 1:
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- Ich bin kein Anhänger von Donald Trump.
- Ich bin kein Rassist, und auch noch nie gewesen.
- Ich halte nichts davon, Mauern gegen alle Flüchtlinge zu errichten.
- Ich bin kein Anhänger der AfD.
- Ich bin gegen die Todesstrafe.
- Ich lebe gerne in einer sauberen Umwelt und in einer sicheren Gesellschaft.
- Ich habe nichts gegen Schwule und Lesben, und mir ist egal, wie wer aussieht, wie sich wer kleidet und sogar, wer sich für was hält und wer wen liebt und heiratet.
- Mir ist sogar ziemlich egal, wer welche Meinung vertritt, solange niemand niemand versucht, andere dazu zu zwingen, irgendeine Meinung anzunehmen.
- Ich bin dagegen, bestimmte Meinungen zu verbieten. Demokratie ist noch nie an zu viel Meinungsfreiheit gescheitert.
- Jeder soll denken, glauben und sagen dürfen, was er will.
So, ich hoffe, wir können jetzt miteinander reden, ohne Wutausbrüche und Shitstürme, ohne Wellen der Empörung. Worüber reden? Vielleicht darüber, dass es wichtig ist, miteinander zu reden, auch dann, wenn man unterschiedliche Ansichten hat. Vielleicht auch reden über die Möglichkeit, dass selbst Leute, denen man in den meisten Fragen nicht zustimmt, manchmal dennoch Recht haben können. Reden darüber, dass es sich lohnt, Meinungen, die man ablehnt, anzuhören, und sei es auch nur, um Schwachstellen in der Argumentation zu finden und seine eigene Position besser zu verteidigen.
Wenn wir darüber reden können, dann doch sicherlich auch darüber, dass man das Recht haben muss, abweichende Ansichten anzuhören und sie auch zu lesen. Und darüber, dass es dafür Medien oder Medien-Plattformen geben muss, auf denen diese veröffentlicht werden, gerade wenn das in den öffentlich-rechtlichen und in den etablierten Medien kaum oder gar nicht geschieht. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass nicht nur im Bereich von Mode, Autos, Lebensmitteln und Computerspielen, sondern auch in der Welt der Ideen Wettbewerb herrschen sollte, damit sich die besten durchsetzen.
Vielleicht können wir dann auch darüber reden, dass Zensur, ganz gleich, ob staatliche oder zivilgesellschaftliche, unser Gespräch, das gerade erst begonnen hat, zu beeinträchtigen, ja gar zu unterbinden droht, und dass dies bedauerlich wäre, oder? Für mich wäre es das zumindest. Und eigentlich für Dich auch, denn Du hättest ja dann gar nicht meine Meinung zur Kenntnis nehmen können, von der Du vorher meintest, sie so vehement ablehnen zu müssen.
Wenn wir uns so weit geeinigt haben, dann kann ich ja neben den oben von mir geäußerten Ansichten noch ein paar weitere aufzählen.
Block 2:
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- Ich denke, dass Gesellschaften das Recht haben, sich gegen terroristische Angriffe zu verteidigen – auch die ukrainische und die israelische. Nein, das macht mich nicht russophob, nicht islamophob und auch nicht zu einem israelischen Falken.
- Ich halte die nationale Souveränität von Staaten für wichtig, da sich Gesellschaften ohne diese Souveränität weder nach innen demokratisch gestalten noch nach außen gegen Angriffe verteidigen können. Nein, das macht mich nicht zu einem rückwärtsgewandten Nationalisten.
- Die Souveränität einer Gesellschaft beinhaltet auch, dass sie selbst entscheidet, wie viele und welche Menschen sie aufnimmt. Da es hier unterschiedliche Ansätze gibt, ist es umso wichtiger, dass hierüber frei diskutiert und am Ende demokratisch entschieden wird. Nein, das macht mich nicht zu einem Migrationsgegner, ganz im Gegenteil.
- Ich halte es für eine wissenschaftlich gedeckte Tatsache, dass sich die Menschheit in zwei biologische Geschlechter unterteilen lässt und dass Ausnahmen diese Regel und den sinnvollen Umgang mit ihr bestätigen und sie nicht entwerten. Nein, das macht mich nicht zu einem Trans-Hasser, ich lasse mir eben nur ungern die Ansichten anderer Menschen aufzwingen. Ich hätte nie gedacht, einmal Mario Barth in einem Artikel zu zitieren, aber ich tue es: „Ich gendere nicht, denn ich habe einen Schulabschluss.“
- Ich halte die grundlegenden Annahmen und die politischen Forderungen der internationalen Klimapolitik für fragwürdig und begrüße es daher, wenn sich Menschen, Parteien und Staaten dieser Politik nicht anschließen. Nein, dies macht mich weder zu einem Wissenschaftsfeind noch zu einem Klimawandelleugner.
- Ich halte die Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation WHO für problematisch und verstehe daher, wenn Staaten aus ihr austreten. Nein, das macht mich nicht zu einem Coronaleugner.
- Ich stehe der Europäischen Union wegen ihres eingebauten Demokratiedefizits und ihres freiheitszerstörenden Regulierungsansatzes feindlich gegenüber. Nein, das macht mich nicht zu einem Rechtsradikalen, denn denen ist die Demokratie mindestens genauso suspekt wie der EU.
- Ich begrüße es, wenn die Menschheit technischen Fortschritt und die Entwicklung neuer Technologien vorantreibt, ganz gleich, ob moderne Atomtechnik, Biotechnologie oder künstliche Intelligenz. Technik ist, was Menschen daraus machen. Nein, das macht mich nicht technikgläubig, nur menschlich.
- Ich bin kein Grüner, das macht mich aber noch lange nicht zu einem „Rechten“.
Über all diese Überzeugungen kann man trefflich diskutieren. Ich tue dies gerne, besonders gerne mit Menschen, die anderer Überzeugungen haben als ich. Denn ohne Dissens wird ein Gespräch zum Überbietungswettbewerb der Anpassung. Ohne abweichende Meinungen kann jeder sagen, er sei tolerant. Spannend wird es im Konfliktfall: Toleranz bedeutet, dass man sich spinnefeind sein kann, aber eben nicht aufs Blut, denn Toleranz verteidigt das Recht auf freie Meinungsäußerung, und sei diese Meinung auch noch so daneben.
Wenn Du Interesse und Spaß daran hast, das Denken Andersdenkender zu erkunden, dann kannst Du mich gerne fragen, wie meine Standpunkte aus Block 1 mit denen aus Bock 2 zusammenpassen. Ich würde das bei Dir genauso machen. Denn mich interessiert, wie Du argumentierst, wie Du Standpunkte zusammenbringst, und vor allem: wie du darauf reagierst, wenn ich kritisch nachfrage.
Es mag irritierend sein festzustellen, dass Denkschablonen und politische Schubladen häufig nicht passen, wenn man genauer hinschaut. Eventuell verliert man dadurch sogar ein wenig die Sicherheit, den Durchblick und auch die eigene Standfestigkeit. Andererseits gewinnt man dadurch auch etwas: schlimmstenfalls nur Erkenntnisse über die Qualität des eigenen Argumentierens, bestenfalls dazu auch noch neue und im Zweifel interessante Gesprächspartner.
Wenn das zwischen uns funktioniert mit dem Hinterfragen der eigenen Standpunkte, ohne dass Empörung aufsteigt, dann geht das auch mit den Standpunkten anderer Menschen. Es ist dem Standpunkt nämlich egal, wer ihn äußert; er verliert dadurch nicht an Wert, sondern steht für sich. Manche Standpunkte scheinen sich auf den ersten Blick gegenseitig auszuschließen. Es ist interessant, wie Menschen mit diesen Spannungen umgehen und um ihre Position ringen. Manche nennen das hochtrabend „demokratischer Prozess“, andere einfach nur ein zivilisiertes Gespräch unter Erwachsenen; in jedem Fall ist es aber eine Bereicherung.
In einem weiteren Gespräch können wir uns dann ja einmal die Standpunkte von Donald Trump oder Javier Milei vornehmen und nachsehen, was daneben ist und ob vielleicht doch auch etwas Brauchbares dabei ist. Ich habe neulich das Buch „Widerworte“ von Alice Weidel gelesen, auch das war interessant. Auch darüber können wir reden. Nein, meine Meinung zu ihr hat sich dadurch nicht grundlegend verändert, ich verstehe aber nun besser, wo sie inhaltlich herkommt.
Es ist schön, mit Dir zu reden, auch wenn wir in vielem unterschiedlicher Meinung sind – vielleicht gerade auch deswegen. Ich freue mich aufs nächste Mal.
Matthias Heitmann