Der Preis der Meinungsfreiheit? 54,20 Dollar pro Aktie

Geschäft, Geschäftsmann, Visitenkarte

26.04.2022 – Die hysterischen Reaktionen des linksliberalen Spektrums auf den Twitter-Coup von Elon Musk zeugen von der Angst dieses Milieus vor unzensierter Meinungsäußerung. Doch auch Konservative und Libertäre sollten sich nicht zu früh freuen – denn auch für Musk wird die Meinungsfreiheit dort ihre Grenzen haben, wo seine Geschäftsinteressen berührt sind.

Was kostet die Meinungsfreiheit? Diese bislang eher philosophische Frage kann seit Montag wohl relativ konkret beantwortet werden. Nämlich: 54,20 Dollar je Twitter-Aktie, insgesamt rund 44 Milliarden Dollar. So viel scheint Elon Musk die Übernahme des Microblogging-Dienstes Twitter wert zu sein. Seinen Erwerb kommentierte der reichste Mann der Welt in seinem eigenen Account auf eben diesem Dienst mit den Worten: „Die freie Meinungsäußerung ist das Fundament einer funktionierenden Demokratie, und Twitter ist der digitale Marktplatz, auf dem die für die Zukunft der Menschheit wichtigen Themen diskutiert werden.“

Nun, wenn man sich ansieht, dass eine bundesrepublikanisch durchschlagende Zeitenwende mehr als doppelt so viel kostet wie die Meinungsfreiheit, nämlich 100 Milliarden Euro, dann muss man feststellen: Elon Musk hat ein richtiges Schnäppchen gemacht. Man fragt sich, warum die anderen Streiter für die Meinungsfreiheit in aller Welt nicht schon vor ihm auf die Idee gekommen sind, sich auch so einen Kanal zu kaufen.

Auf jeden Fall ist es erstaunlich, welch hohe Wellen diese Angelegenheit schlägt. Was natürlich auffällt, ist, dass auf Social-Media-Kanälen immer häufiger bestimmte Inhalte gelöscht werden, wenn sie nicht dem linksliberalen Mainstream, der Regierungslinie oder den Interessen von Big-Tech-Companies entsprechen. Und Facebook & Co. werden dazu ja auch immer häufiger rechtlich gezwungen, und natürlich kommen sie dieser Aufforderung auch nach, man steht ja gerne auf der richtigen Seite der Barrikade.

Meinungsfreiheit als Instrument der Tyrannei?
Vorauseilender Zensurgehorsam treibt da zuweilen die schönsten und schrillsten Blüten. Was bei Putin die Trolle sind, die in den medialen Desinformationskrieg geschickt werden, das sind bei Facebook & Co. die internen Zensur-Trolle, deren Job es ist, fortwährend und zwanghaft das Netz zu säubern – von was auch immer. Tatsächlich hatte Elon Musk in der Vergangenheit immer wieder kritisiert, dass auf Social-Media-Plattformen zu viel zensiert werde und überhaupt sich die Tech-Eliten aus Silicon Valley immer dreister ereifern, der restlichen Welt ihre eigene Sicht aufzudrücken und andere Sichtweisen zu unterdrücken.

Immerhin gingen im letzten US-Wahlkampf 98 Prozent aller Wahlkampfunterstützungen von US-Internetunternehmen an die Demokraten von Joe Biden. Die Beeinflussung ging sogar so weit, dass man Wochen vor der Wahl den Twitter-Account der New York Post stilllegte, nachdem dort ein kritischer Bericht über die Machenschaften von Hunter Biden erschienen war, den Sohn des heutigen US-Präsidenten. Auch in Corona-Zeiten setzte sich die Zensur im Internet fort.

Nun also taucht Elon Musk auf und verspricht, Twitter als digitalen Marktplatz einer funktionierenden Demokratie gewissermaßen neu zu erfinden. Ob ihm das gelingt bzw. ob das sein Ziel ist, sei einmal dahingestellt. Die Hysterie, mit der linksliberale und woke Kreise die Übernahme von Twitter durch Musk als einen weiteren Schritt in Richtung Untergang der Demokratie und als Sieg der Trolls und Trumps diffamieren, zeigt, dass der Tritt vors Schienbein offensichtlich genau die Richtigen trifft. Die Angst des Establishments vor echter Meinungsfreiheit ist so groß, dass sie diese als Instrument der Tyrannei verdammen. Gegen dieses Schienbein zu treten, halte ich durchaus für richtig.

Musks Bewunderung für die VR China müsste ihn eigentlich Sympathien kosten
Andererseits möchte ich aber auch nicht in die Jubelgesänge zahlreicher Liberaler oder Konservativer einstimmen, die die Aktion von Elon Musk als Befreiungsschlag für die Meinungsfreiheit preisen. Denn wir reden ja immer noch von demselben Musk, der im Zuge des hysterischen Klimadiskurses anstrebt, die Welt mit überteuerten E-Fahrzeugen zu fluten. Er baut Stromkarossen für eben die global-urbanen Mittelklassen, die gar kein Interesse daran haben, Abweichlern das Recht auf Meinungsfreiheit zuzugestehen.

Musk mag sich selbst als „absoluten Verfechter der Meinungsfreiheit“ inszenieren. Ich denke, dass die Mitarbeiter von Tesla dazu bestimmt ihre eigene Meinung haben, insbesondere die, die vergeblich versuchten, sich bei Tesla zu organisieren, um Belegschaftsinteressen zu äußern und zu verteidigen. Auch Musks Bewunderung für die VR China müsste ihn eigentlich einige Sympathien in liberalen und konservativen Kreisen kosten. Das Wall Street Journal bezeichnete ihn als „hochkarätigen Befürworter der regierenden Kommunistischen Partei Chinas“. Dass er dies noch nicht dementieren ließ, interpretiere ich jedenfalls nicht als Ausdruck seines Kampfes für Meinungsfreiheit.

Es ist bedauerlich, dass sogar selbsterklärte Verteidiger der Meinungsfreiheit in dem Erwerb eines Medienkanals durch den reichsten Mann der Welt einen Sieg der Demokratie und einen entscheidenden Schlag gegen die Macht der High-Tech-Eliten sehen. Fakt ist: Musk ist Teil dieser Elite, um nicht zu sagen, einer ihrer Köpfe, wenn auch vielleicht ein Querkopf. Aber: Was wird geschehen, wenn über Twitter Artikel verbreitet werden, die seine Business-Interessen in China grundlegend gefährden? Kommt dann die Musk-Pflicht? Oder kostet ein Twitter-Account dann einen Tesla-Taler?

Elon Musk mag sein Vermögen und seine Macht tatsächlich dafür einsetzen wollen, dass zumindest auf seinem Kanal manche Themen wieder ein wenig offener diskutiert werden. Darauf freue ich mich. Das eigentliche Problem ist aber, dass Technologieunternehmen gemeinsam mit Staaten daran arbeiten, uns das freie Denken und Reden und Debattieren zu erschweren. Gegen diese Machtkonzentration hilft auch kein liberaler Milliardär. Die Musken müssen fallen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 26. April 2022 bei Cicero Online.