50 Jahre Mann im Mond

Raumstation, Mondlandung, Apollo 15

Vor 50 Jahren betrat der erste Mensch den Mond. Wer heute die Filmaufnahmen von damals betrachtet, kann den Eindruck gewinnen, eine untergegangene Zivilisation zu beobachten. Tatsächlich ist unser moderner Zeitgeist Lichtjahre vom Entdeckergeist früherer Zeiten entfernt.

Am 20. Juli 1969 machte die Menschheit tatsächlich einen großen Schritt – auch wenn dessen Größe heute kaum mehr nachzuvollziehen ist und sehr fremd wirkt. Doch es sind nicht nur die alten Filmaufnahmen, die befremden. Heute erscheint vor allen Dingen die damals weltumspannende Begeisterung für die Raumfahrt seltsam, die insbesondere nach der Ankündigung des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy im September 1962, erstmals einen Menschen auf den Mond bringen zu wollen, anschwoll und die Menschen in Atem hielt.

Was dieser Rede folgte, wurde einer der spektakulärsten Wettstreite der Menschheitsgeschichte. Der Flug zum Mond wurde inmitten des Kalten Kriegs zur Technologie- und Innovationsschlacht zwischen den Supermächten. Dabei ging es weniger um die „Eroberung“ des Erdtrabanten, sondern darum, vor einem globalen Publikum die eigene Stärke und Überlegenheit im Kampf der Systeme zu demonstrieren – es ging um die Eroberung der Köpfe.

Rückkehr per Anhalter und ohne Applaus?
Als im März dieses Jahres US-Präsident Donald Trump ankündigte, dass er binnen fünf Jahren wieder Astronauten (und die erste Astronautin) auf den Mond bringen wolle, war von globaler Begeisterung nichts zu spüren. Die Verlautbarung wurde in der Öffentlichkeit eher so aufgenommen wie eine der vielen anderen Meldungen des Twitter-Königs. Fast instinktiv stellte man die „Rückkehr zu Mond“ in eine Reihe mit dem angekündigten nun noch schneller erfolgenden Mauerbau an der mexikanischen Grenze und zur Androhung der noch verheerender ausfallenden Vernichtung irgendeines Schurkenstaates.

Trumps Gigantismus offenbart auch bei diesem einst so emotionsgeladenen Thema Raumfahrt eine gähnende Leere: Die USA haben vor acht Jahren ihr Spaceshuttle-Programm eingestellt. Zur internationalen Weltraumstation ISS müssen sich US-Astronauten derzeit von russischen Sojus-Raketen oder anderen mitnehmen lassen. Wenn Washington tatsächlich eigene Astronauten auf den Mond bringen will, dann wohl nach derzeitigem Stand per Anhalter.

Raumfahrt-Helden mit Raketenantrieb nur im Kino
Sollte die Rückkehr auf den Mond dennoch wie geplant in den kommenden Jahren gelingen, werden sich Erde und Mond so gut wie nicht verändert haben. Doch wird die Rückkehr für die Menschheit nicht zu einer Wiederholung der Geschichte werden. Denn obwohl sich mittlerweile in jedem durchschnittlichen Haushalt, der über Strom- und Wasserversorgung verfügt, mehr Computertechnologie befindet, als Neil Armstrong und Kollegen 1969 in der Apollo zur Verfügung stand, so ist das Verhältnis zu Technologie, aber auch zu Weltraumabenteuern heute ein völlig anderes.

War damals der Geist der menschlichen Neugier noch stark nach außen und auf das Große und vermeintlich Unmögliche gerichtet, so gelten vielen heute die Abkehr von großen Zielen und Erwartungen, die Demut gegenüber dem als so gebrechlich empfundenen Planeten und die Angst vor dem selbst verschuldeten Untergang als die zentralen Wegweiser des modernen Menschenbildes. Raumfahrt-Helden mit Raketenantrieb erfahren heute fast nur noch im Kino Zuspruch; die Wirklichkeit ist weitaus grauer, dumpfer und uninspirierter.

Wir kamen in Frieden, nicht aus Angst
Es wäre jedoch einseitig und ungerecht, die damalige Begeisterung über die Mondlandung einzig auf den durchschlagenden Erfolg der Kalten-Kriegs-Propaganda (auf beiden Seiten) und die unbändige Technikverliebtheit zurückzuführen und sie so gewissermaßen zu pathologisieren. Selbstverständlich hat der damalige Systemkonflikt die Entwicklung der Raumfahrt extrem beschleunigt, doch interessanterweise wurde bereits damals der Grundstein für die spätere Kooperation der Großmächte im Weltraum gelegt. Fast genau sechs Jahre nach der ersten Mondlandung koppelten ein Apollo- und ein Sojus-Raumschiff am 17. Juli 1975 in der Erdumlaufbahn aneinander an. Aus diesem Projekt entwickelte sich die bis heute währende Kooperation im All.

Es ging bei der Mondlandung eben nicht nur um die US-Flagge, sondern darum, einen Menschheits-Wettbewerb zu gewinnen – für die Menschheit. Entsprechend lautete auch die Botschaft, die auf dem Mond zurückgelassen wurde: „We came in peace for mankind“ (Wir kamen in Frieden für die Menschheit). Darum dürfte es Donald Trump bei der kommenden Mondlandung wohl eher nicht gehen, denn diese Art universalistischen Denkens ist ihm nicht nur fremd, sondern zuwider. Doch damit ist Trump nicht allein: Auch seine politisch-kulturellen Widersacher kritisieren das optimistisch-universalistische Denken als größenwahnsinnig, selbstmörderisch und planetenzerstörerisch.

Wichtiger Wechsel von Perspektiven
In der Rückschau auf die damaligen Ereignisse steht zumeist das Foto von der am Mondhorizont untergehenden Erde im Zentrum. Vielen Menschen gilt es als bildlicher Ursprung der Umweltschutzbewegung: Es symbolisiert die Sehnsucht nach Mutter Erde und gleichzeitig die Kleinheit und Verlorenheit unseres Planeten inmitten dunkler Unendlichkeit. Diese Einsicht gilt als eine der wichtigsten Lehren, die die Menschheit aus der Raumfahrt gezogen habe.

Doch gerade dieses Foto kann auch anders interpretiert werden: Der Blick auf die Erde ist gemeinsam mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die Raumfahrt zutage brachte, ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie wichtig Perspektivwechsel sind, wie wichtig es ist, die Realität in Zusammenhängen zu sehen und Risiken und Chancen in realistischen Größenverhältnissen einzuschätzen. Um diese Einschätzung vornehmen zu können, ist es notwendig, etwas zu riskieren und auch etwas zu tun, was andere für unmöglich halten. Dass man dabei auch einmal wehmütig und ängstlich zurückblickt, gehört dazu und ist Teil der Erfahrung wie auch der Herausforderung.

Auf zum Mond – weil er da ist!
Dass das Abenteuer Raumfahrt heute gerne darauf reduziert wird, dass der Mensch vor allen Dingen seine Bedeutungslosigkeit erkannt habe, ist typisch für unseren Zeitgeist. Paradox dabei ist: Diejenigen, die heute das menschliche Leben dem Umweltschutz unterstellen wollen, wären nie auf dem Mond gelandet, das Foto wäre nie entstanden. In jedem Fall wird aber eine erneute Landung auf dem Mond die Menschen auf der Erde nicht völlig kalt lassen. Zumal inzwischen – allen Skeptikern, Bedenkenträgern und Bremsern zum Trotz – der menschliche Blick nicht mehr nur auf den Mond gerichtet wird, sondern darüber hinaus. Längst wird über Marsmissionen intensiv nachgedacht.

Je mehr wir beim Blick in das All erkennen, analysieren und verstehen – auch über uns selbst und unseren Planeten – desto stärker wird der menschliche Drang, sich auch selbst wieder auf die Reise zu machen. Der missmutige und auf Verzicht und Stagnation ausgerichtete Zeitgeist mag wie ein grauer Schleier über dem menschlichen Entdecker- und Erfindergeist liegen. Doch wenn es irgendeinen Größenwahn gibt, dann den zu glauben, man könne den Menschen nachhaltig genau die Eigenschaften aberziehen, die sie zu Menschen machen. Insofern könnte die nächste Mondlandung schon eine „Rückkehr“ sein: eine Rückkehr des Menschen zu sich selbst.

DieserArtikel ist zuerst in der Kolumne „Schöne Aussicht“ auf Cicero Online erschienen.
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