Umweltbewusstsein 2014: Die grüne Paranoiawelle ebbt ab

„Die Studie zeigt ein anhaltend hohes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung“ ist in der gemeinsamen Pressemitteilung von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt anlässlich der heute vorgelegten Umweltbewusstseinsstudie 2014 zu lesen. Der Satz klingt ungefähr so, wie wenn der Hamburger Sport-Verein seine Fans mit der Aussage beruhigen wolle, man werde auf jeden Fall auch in der kommenden Saison zu den 36 besten Mannschaften Deutschlands gehören und dementsprechend auf „anhaltend hohem“ Niveau spielen. Gilt etwas als „anhaltend hoch“, so steigt es nicht, sondern stagniert oder fällt, wenngleich auf hohem Niveau

Die Umweltbewusstseinsstudie 2014 belegt, dass die Sorge um die Umwelt nicht mehr der Deutschen größte Sorge ist. Priorität haben die soziale Sicherheit, die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Rentenpolitik sowie Fragen der Kriminalität, des Friedens und der Sicherheit. Für nur noch 19 Prozent der Deutschen ist der Umweltschutz eins der wichtigsten Themen. Vor zwei Jahren lag dieser Wert noch bei 35 Prozent. Als Ursachen für diesen Bedeutungsverlust sind vor allem Dingen die Debatten über den Atomunfall von Fukushima und die daraufhin von Kanzlerin Angela Merkel betriebene Energiewende zu nennen, die in den Jahren 2011 und 2012 nicht nur das Thema kontinuierlich in die Schlagzeilen, sondern mit Winfried Kretschmann auch einen Grünen in das Ministerpräsidentenamt in Baden-Württemberg spülte.

Rückgang der Umweltbewusstlosigkeit
Wenn zwei Jahre später also die Bevölkerung den Umweltschutz in seiner Bedeutung zurechtstutzt, so ist das zunächst einmal ein Indiz für den Rückgang der Umweltbewusstlosigkeit, die sich nach dem 11. März 2012 wie eine Epidemie durchs Land wälzte. Das ist eine gute Nachricht. Diese Normalisierung hat jedoch nicht die Politik und schon gar nicht Bundesumweltministerin Barbara Hendricks zu verantworten; sie ist eher der Verdienst des gesunden Menschenverstandes, der sich – glücklicherweise – nach einem Anflug von politisch instrumentalisierter Paranoia in der Regel wieder beruhigt und einschaltet.

Die Tatsache, dass mangelnder Umweltschutz – auch trotz Fukushima und trotz ständig wiederbelebter Klimawandel-Debatte – seit vielen Jahren kontinuierlich an Bedeutung verliert, offenbart die Grenzen ökologischer und grün getünchter Angstpolitik. Auch das ist eine gute Nachricht. Dass sich das Umweltbewusstsein, wie sich die Bundesumweltministerin in der Pressekonferenz ausdrückte, „von einer Problemwahrnehmung zu einer lösungsorientierten Wahrnehmung“ wandele, ist jedoch ebenfalls nicht einer vernünftigen Politik anzurechnen. Es gibt wahrscheinlich kaum einen Themenbereich, in dem Wissenschaft und Forschung trotz knapper Mittel in den letzten Jahren und Jahrzehnten so viel Innovationen und technischen Fortschritt in der Wirtschaft ermöglicht haben wie der Umweltschutz. Die sich durchsetzende Wahrnehmung, dass Umweltprobleme lösbar sind, ist daher ein direkter Ausdruck realer Erfahrungen der Bürger.

Aber der Mainstream ist tiefgrün
Jedoch sollte man bei aller Freude darüber, dass die Menschen die Möglichkeiten und den Einfluss von Politik auf die Wirklichkeit sehr viel realistischer bewerten als die Politik selbst, Bedeutung und Verbreitung des grünen und ökologischen Denkens nicht unterschätzen: Auch wenn die schrill und radikal wirkenden Ausprägungen heute kaum noch anzutreffen sind, so haben sich doch viele Grundeinstellungen, auf denen grünes Denken basiert, heute zum gesellschaftlichen Konsens entwickelt: Die These von der Begrenztheit der Ressourcen, die Vorstellung, der Mensch müsse seinen ökologischen Fußabdruck auf der Erde verringern, sowie der Glaube daran, dass sich die Menschen künftig an ein Leben mit weniger gewöhnen sollten, anstatt „mehr“ zu wollen – all diese Überzeugungen sind heute so tief im Mainstream verankert, dass sie kaum noch als „grün“ wahrgenommen werden.

Dieser Aspekt der Veränderung des Umweltbewusstseins ist der problematische. Grünes Denken ist endgültig im Konsens der Gesellschaft angekommen und in nahezu alle anderen Politikfelder eingesickert. Man kann sich also über den offenkundigen Bedeutungsverlust der Partei Bündnis 90 / Die Grünen freuen – betrachtet man die steile Karriere, die grüne Politik in den letzten Jahren gemacht hat, ist diese Freude indes unbegründet. Auch wenn die Panikattacke nach Fukushima abgeebbt ist: Die deutsche Gesellschaft ist so grün, dass nur noch grüne Parteien gewählt werden.