Ein schlechter Wolfo-Witz

Nun ist es also raus. Paul Wolfowitz, seiner Zeit neokonservativer Theoretiker des Irakkrieges, der sich seit 2005 in ebenso fortschrittlicher Manier als Präsident der Weltbank um das Wohl der Armen und Schwachen dieser Welt kümmerte, muss seinen Hut nehmen, weil er sich um eine Arme und Schwache kümmerte.

 

Naja, ganz so war es nicht. Seiner Lebensgefährtin Shaha Riza, zuvor ebenfalls bei der Weltbank angestellt, verhalf er als frisch gebackener Weltbankpräsident zu einem gut dotierten neuen Job in der US-Regierung. Zu einem ziemlich gut dotierten: Sie soll mehr verdient haben als US-Außenministerin Condoleeza Rice. Chapeau!

Einen solchen Deal überhaupt einfädeln zu wollen, erfordert Mut. Dass ihm das tatsächlich auch gelang, ist aber weder ihm noch seiner Freundin zuzuschreiben. Angenommen, Angela Merkels Redenschreiber würde mehr verdienen als Merkel selbst, wäre ihm das nicht vorzuwerfen. Eher sollte man Frau Merkel in diesem Falle die Frage stellen, ob sie ihren Laden im Griff hat. Anstatt zu fragen „Was erlauben Paule und Riza?“ sollte eher gefragt werden „Was erlauben Rice?“

Der Haken an der Geschichte: Paul Wolfowitz hatte sich bei der Übernahme des höchsten Postens bei der Weltbank der Aufgabe verschrieben, den Kampf gegen Korruption zu forcieren. Im Rahmen dieser Mission hatte er sich nicht gescheut, Staaten als Bestrafung für deren Korruptheit Weltbankkredite zu sperren. Da kommen natürlich derlei Ablösegeschäfte mit Geliebten nicht besonders gut an.

Es besteht kein Anlass, dem früheren Pentagon-Falken auch nur eine Träne nachzuweinen. Ein Grund zum Frohlocken, wie es seine politischen Gegner nun tun, besteht jedoch ebenfalls nicht. Denn wenn die Affäre um Wolfowitz eines zeigt, dann, dass es mehr und mehr außer Mode kommt, politische Gegner mit politischen Mitteln zu demontieren bzw. demontieren zu wollen. Viel lieber macht man sich daran, so lange Dreck aufzuwühlen, bis irgend etwas hängen bleibt. Anders formuliert: Welche Politik jemand betreibt, ist offensichtlich unwichtig – Hauptsache, man bleibt sauber!

Das hat sich wohl auch der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler gedacht, als er letzte Woche der Anti-Globalisierungs-Organisation Attac beitrat. So bringt sich ein Politrentner ins Gespräch. Da er aber sowohl die Linkspartei als auch Greenpeace offensichtlich für nicht geeignet hielt, suchte er sich eben ein Sammelbecken aus, das jedem Aquariumbesitzer aufgrund der kannibalischen Bestückung den Angstschweiß auf die Stirn treiben würde. Aber solange Heiner sich während des G8-Gipfels nicht beim Einreißen von Sicherheitszäunen erwischen lässt und „sauber“ bleibt, geht das in Ordnung. (Wenngleich sich natürlich die Attac-Fürsten spätestens jetzt ernsthafte Gedanken darüber machen sollten, ob nicht langsam der Zeitpunkt gekommen ist, an dem die inhaltliche „Vielfalt“ in vielfältige Einfalt umgeschlagen ist.)

Politische Inhalte verlieren in einem solchen Klima immer mehr an Bedeutung. Dies ist die Kehrseite der allgemeinen Anti-Korruptionspolitik: Sie reduziert politische Debatten auf die Suche nach persönlichem Fehlverhalten. Zudem fährt sie kritischen Journalismus auf ein antipolitisches Paparazziniveau herunter und fördert somit die Zunahme der Politikverdrossenheit.

Es hätte hinreichend gute politische Gründe dafür gegeben, Wolfowitz von den Schalthebeln der Macht fernzuhalten. Dass er jemandem zu einer glorreichen Karriere verholfen haben soll, ist hingegen der schlechteste von allen.